Ja, diese Frau kann auftrumpfen. Trifft man andere Nationalratskandidaten in einem Café oder im Büro, hat Gaby Gerber (47) mehr zu bieten: Sie schlägt für den Termin das imposante Sudhaus der Feldschlösschen-Brauerei in Rheinfelden AG vor. Das nicht ohne Grund: Gerber war die erste Schweizer Bier-Sommelière – und sitzt in der Geschäftsleitung von Feldschlösschen.
Nun will sie für die FDP Aargau in den Nationalrat. Einfach wird das nicht – Gerber rangiert nur auf Listenplatz 8. Je weiter hinten, desto geringer die Wahlchancen. Gerber weiss: Selbst wenn die FDP ihr erklärtes Ziel erreicht und einen vierten Sitz hinzugewinnt, reicht es ihr vielleicht nicht. «Ich bin ja nicht naiv!», sagt sie lachend. Dennoch sei ihre Kandidatur kein Alibi. «Man kann nicht immer nur sagen, es brauche mehr Frauen. Man muss auch hinstehen und sich zur Verfügung stellen.» Und das tue sie – nach reiflicher Überlegung.
«Der typische Nationalrat ist Jurist, männlich und älter»
Gut überlegt sein wollte der Schritt auch, weil Gerber nicht nur Bier-Managerin mit einen 80- bis 100-Prozent-Pensum ist, sondern auch Mutter von zwei Buben im Alter von vier und sechs Jahren. Genau das aber habe zu ihrer Kandidatur beigetragen. «Der typische Nationalrat ist Jurist, männlich und älter. Ich finde: Auch berufstätige Mütter sollten im Parlament vertreten sein.»
Der Trend, dass sich Wählerinnen und Wähler für mehr Frauen aussprechen, kommt Gerber da entgegen. Auch wenn sie mit Frauenförderung nicht viel anfangen kann. «Diskriminierung», sagt sie, «war für mich nie ein Thema – einfach, weil es mir anders vorgelebt wurde.» Vorgelebt daheim: Den elterlichen Betrieb, einen Obstgrosshandel mit Schnapsbrennerei, leitete die Mutter, die nie Mühe hatte, sich zwischen Bauern und Detailhändlern zu behaupten. Das schlug durch. «Bueb oder Meitli – das hat bei uns keine Rolle gespielt», sagt Gerber. «Frauen in Führungspositionen fand ich nie seltsam.»
Ihr passt der grüne Kurs der FDP
Frauen auf einem Sattelschlepper auch nicht. Mit 19 machte sie die Lastwagenprüfung – einfach, weil das im elterlichen Betrieb gebraucht wurde. «Der Prüfungsexperte war völlig schockiert und meinte, dass wir am besten zu mir nach Hause fahren – da würde ich wenigstens den Weg schon kennen.» Das könne man als diskriminierend anschauen – «aber ich fand es praktisch», lacht sie. Bestanden hat sie mit Bravour.
Der unverkrampfte Umgang mit dem Thema Feminismus steht Gerber gut. Und auch das zweite Mega-Thema des Jahres spielt ihr in die Hände. Denn Gerber steht für den neuen grünen Kurs der FDP – der in ihrer Kantonalpartei durchaus umstritten ist. Doch für sie ist klar: «Es ist superdringlich», gegen den Klimawandel vorzugehen. «Ich verstehe die Klimajugend!» Sie jedenfalls wolle ihren Buben in 20 Jahren nicht sagen müssen «ja, da hätten wir etwas machen müssen, haben es aber nicht auf die Reihe gekriegt».
«Es braucht konkrete Ziele»
Gerber ist überzeugt, der Freisinn müsse beim Klima eine Führungsrolle einnehmen. Als Vermittlerin zwischen den Polen und Vertreterin der Wirtschaft. Denn die Wirtschaft sei schon weiter als die Politik.
Feldschlösschen etwa habe sich vor weit über zehn Jahren zu einem CO2-Absenkpfad verpflichtet – und daraufhin vom Brauprozess über den Transport bis hin zur Beleuchtung alles angeschaut. Heute bezieht die Brauerei 53 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen. 2025 will man gar 75 Prozent erreichen. Darum sagt sie: «Es braucht konkrete Ziele in einer konkreten Zeitspanne. Sonst verwässert alles.» Und das wäre für die Umwelt so schlecht wie fürs Bier.
Ja zur Ticketabgabe und zu höheren Benzinpreisen
Alles gut und schön, doch was bedeutet das konkret? Ist Gaby Gerber für eine Schweizer Flugticketsteuer? Ja, sagt sie. Für eine moderate, auch wenn eine internationale Flugsteuer die noch bessere Lösung wäre. «Aber die scheint noch nicht in Griffnähe.»
Und steht die Lastwagen- und Feldschlösschen-Lenkerin im Autofahrer-Kanton Aargau auch für eine CO2-Abgabe auf Treibstoffe ein? Ja, sagt sie auch dazu. Schiebt aber nach: «Natürlich dürfen wir die Leute auf dem Land nicht vergessen, die aufs Auto angewiesen sind. Aber wir müssen den CO2-Ausstoss reduzieren.» Dazu brauche es Kostenwahrheit und ein Gesamtkonzept. Ob sie daran mitarbeitet, zeigt sich am 20. Oktober.