Frau Späh, warum sollten wir als Steuerzahler ein Interesse daran haben, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert wird?
Carmen Walker Späh: Die Schweiz hat ein unglaubliches Potenzial an gut ausgebildeten Müttern, die nur in kleinen Pensen oder gar nicht berufstätig sind. Wir gehen davon aus, dass zirka 245'000 Frauen gerne mehr arbeiten würden, darunter sind rund 50'000 Akademikerinnen. Der Staat hat Milliarden in die Ausbildung all dieser Frauen investiert, nun liegen diese Investitionen brach. Die derzeitigen Rahmenbedingungen machen es für viele Frauen schwierig, mehr zu arbeiten.
Was fehlt?
Wir haben noch viel zu wenig bezahlbare Kinderbetreuung, und es fehlt ein Schulsystem mit klaren und verlässlichen Tagesstrukturen. Nur diese beiden Faktoren garantieren den Eltern, dass sie sich, wenn sie sich nicht selber um die Kinder kümmern, in Ruhe auf den Beruf konzentrieren können. Ich appelliere an dieser Stelle gerne auch an die Wirtschaft: Sie sollte ihre Verantwortung wahrnehmen und Frauen wie Männern mit der Möglichkeit entgegenkommen, Teilzeit zu arbeiten. Diesbezüglich erhalte ich sehr ermutigende Signale aus den Unternehmen, zumal wir ja alle zusammen die Masseneinwanderungs-Initiative umsetzen müssen.
Und das heisst konkret?
Nach dem Ja zur Initiative, die eine Drosselung der Zuwanderung verlangt, können wir nicht anders, als das inländische Potenzial an Arbeitskräften besser zu nutzen. Und gerade in dieser Hinsicht sind die Frauen unser grösster Trumpf. Verglichen mit der EU sind wir Schlusslicht, was die Werktätigkeit von Frauen angeht. Dies vor allem darum, weil die Schweizer Mütter in Kleinstpensen arbeiten.
Was will die Zürcher Regierung beitragen, damit die Rahmenbedingungen für berufstätige Eltern besser werden?
Der Zürcher Regierungsrat hat in seiner Legislaturplanung die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf als klares Ziel verankert. Wir wollen, dass möglichst rasch Tagesstrukturen an allen Schulen eingeführt werden. Das ist aus unserer Sicht keine sozialromantische Idee, mit welcher unbeaufsichtigten Kindern geholfen werden soll, sondern in erster Linie eine Investition in unsere Wettbewerbsfähigkeit. Ich wiederhole es gern: So wollen wir einen Beitrag leisten, damit für Nachschub an inländischen Fachkräften gesorgt ist. Ich bin überzeugt, dass wir damit bei den Unternehmen offene Türen einrennen.