Der Nationalrat will ein Burka-Verbot in der Verfassung. Am Dienstag Mittag stimmte eine Mehrheit der grossen Kammer für eine parlamentarische Initiative des Solothurner SVP-Nationalrats Walter Wobmann, die das fordert.
Buntes Durcheinander in der Mitte
Allerdings wurde es richtig knapp (BLICK berichtete). Gerade mal 88 Parlamentarierinnen und Parlamentarier stimmten für die Vorlage – 87 dagegen! Das auch, weil zehn Ratsmitglieder sich enthielten – und 14 gar nicht erst im Saal waren, als es zur Abstimmung kam.
Wie erwartet stimmte die Mehrheit der SVP für ein Verbot und die der SP dagegen. Ausschlaggebend war daher die Mitte – und hier herrschte ein wildes Durcheinander. Von Ja-Stimmen über Enthaltungen bis zu Nein-Stimmen war alles vertreten. Wenig überraschend war, dass die CVP sich mehrheitlich für ein Verbot stark machte. Doch auch in der FDP fanden sich Befürworter eines Verbots.
Gössi fühlt sich unwohl
Gänzlich unerwartet jedoch kam der Entscheid von Petra Gössi. Die FDP-Präsidentin enthielt sich der Stimme. Hat sie etwa keine Meinung zu einer einfachen Frage? Oder will sie ihre Haltung verschleiern, um ja niemanden zu verärgern? Weder noch, sagt Gössi: Sie habe ein Problem mit der Burka.
«Viele Menschen im Land fühlen sich unwohl, wenn sie auf Burka-Trägerinnen treffen», sagt sie und schiebt nach: «Mich eingeschlossen, denn das Gesicht zu verhüllen, passt einfach nicht zu unseren Werten.» Sie finde daher, dass das Parlament darüber diskutieren soll. Wobmanns Vorstoss zustimmen habe sie aber dennoch nicht gewollt, denn ein solches Verbot gehöre nicht in die Verfassung.
Damit will Petra Gössi, als FDP-Chefin die eigentliche Speerspitze des Liberalismus in diesem Land, Frauen eine Kleiderordnung aufzwingen. «Natürlich will die FDP grösstmögliche Freiheit, auch bei der Wahl der Bekleidung», widerspricht sie. «Doch namhafte Islam-Kenner sehen im Schleier ein Symbol für die Unterdrückung der Frau – und dafür stehen wir mit Sicherheit nicht ein.»
Einknicken der Föderalisten
Am liebsten sähe Gössi es, wenn das Burka-Verbot den Kantonen überlassen würde. Für eine kantonale Lösung hatte sich früher auch CVP-Nationalrat Marco Romano ausgesprochen, der aus dem Tessin kommt, wo seit diesem Sommer der Schleier gelüftet werden muss. Das sei die Stärke des Föderalismus, liess er sich Ende August im «Tages-Anzeiger» zitieren.
Im Nationalrat hat Romano nun für ein nationales Verbot gestimmt. Typischer CVP-Slalomkurs also? «Ich habe meine Meinung nicht geändert, ich bin nur pragmatisch», rechtfertigt er sich. Das Parlament müsse sich ohnehin mit dem Burka-Verbot befassen, da derzeit Unterschriften für eine entsprechende Volksinitiative gesammelt würden. Diese werde sicher zustande kommen, ist Romano überzeugt. Der Nationalrat habe jetzt einfach sichergestellt, dass keine Zeit verschwendet, sondern direkt mit der Arbeit begonnen werden kann. «Ich bin aber nach wie vor überzeugt, dass man die Problematik kantonal anpacken muss.»