Darum gehts
- Autofahrer über 75 müssen sich alle zwei Jahre medizinischen Tests unterziehen
- Es gibt einen beschränkten Führerausweis als Alternative zum Billett-Entzug
- Der Experte Bruno Liniger sieht das aber sehr kritisch
Ab 75 Jahren müssen Autofahrerinnen und Autofahrer alle zwei Jahre ihre Fahreignung medizinisch prüfen lassen. Immer mehr bestehen diese Tests nicht: 2024 stieg die Zahl der Ausweisentzüge um rund 9 Prozent. Wer durchfällt, verliert von einem Tag auf den anderen einen grossen Teil seiner Freiheit – für viele ein Schock.
Theoretisch existiert ein Mittelweg: der beschränkte Führerausweis. Damit dürften Seniorinnen und Senioren weiterhin fahren – etwa nur tagsüber oder in einem bestimmten Radius. Öffentlich ist das kaum bekannt. Tatsächlich wird dieser «Führerausweis light» von Verkehrsfachärzten fast nie beantragt und von den Strassenverkehrsämtern entsprechend selten erteilt.
Das Wissen ist «spärlich bis nicht vorhanden»
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) sähe darin allerdings Chancen. Auf Blick-Anfrage schreibt sie: «Führerausweise mit Beschränkungen können eine Option für Personen mit leicht erhöhtem Risiko sein und ihnen eine gewisse Mobilität erhalten.»
Tatsächlich lässt sich nicht beziffern, was diese Lösung für die Strassensicherheit bedeutet – in der Schweiz gibt es keine Statistik zu Unfällen von Personen mit einem beschränkten Führerausweis. Internationale Studien deuten jedoch darauf hin, dass die Unfallrate mit Einschränkungen sinkt.
Sehr viel kritischer sieht dies Bruno Liniger (67). Er ist Verkehrsmediziner und erstellt regelmässig Gutachten zur Fahreignung von über 75-Jährigen. Dazu gehören nicht nur kognitive verkehrsmedizinische Tests, sondern unter Umständen auch eine verkehrsmedizinisch-ärztlich begleitete Kontrollfahrt. Jedes Jahr mache er etwa 50 solcher Fahrprüfungen, dies in Begleitung eines Experten des zuständigen Strassenverkehrsamts.
Im Unterschied zu Hausärzten, die verkehrsmedizinische Kontrollen durchführen, ist Liniger Experte in seinem Gebiet. Die Leute kommen zu ihm, wenn andere Ärzte zuvor keine abschliessende Beurteilung abgeben konnten oder die Fahreignung abgesprochen haben und Betroffene eine Zweitmeinung wollen.
Kognitive Checks oft nicht durchgeführt
Liniger sagt: «Aus verkehrsmedizinischer Sicht finde ich einen beschränkten Rayon absolut kritisch. Wenn die kognitiven Fähigkeiten nicht mehr gegeben sind, kann das auch in einem beschränkten Rayon fatale Folgen für die Sicherheit auf der Strasse haben.»
Darum sei bei seinen Untersuchungen die geistige Fitness entscheidend, besonders für das frühzeitige Erkennen von Demenzerkrankungen. Diese notwendigen kognitiven Checks würden oft nicht – oder zumindest nicht vollständig – durchgeführt. «Gerade Hausärzte haben sicher berechtigterweise das Gefühl, ihre Patienten gut zu kennen. Das kann jedoch zu fehlerhaften Beurteilungen führen», so Liniger.
«Das Alter ist kein Ausschlusskriterium»
Die kritische Einstellung der Verkehrsmediziner macht sich bei den Strassenverkehrsämtern bemerkbar, wie eine Blick-Umfrage zeigt: «Führerausweise light» sind eine Rarität. Manche Kantone haben sie erst gar nicht eingeführt.
Kompetente Fahreignungs-Tests seien nach wie vor unerlässlich, betont Bruno Liniger. Dabei entscheide er immer im Einzelfall. Die älteste Person, die er während einer Kontrollfahrt begleitete, sei 99 Jahre alt gewesen und habe tadellos bestanden. Im Gegensatz dazu hatte Liniger auch schon deutlich jüngere Personen, die nicht hätten fahren sollen. «Das Alter allein ist wirklich kein konkretes Ausschlusskriterium», sagt er.