EU bietet Briten Nachverhandlungen an
Brexit: Eine Chance für die Schweiz?

Nun also doch: Die EU erklärt sich bereit, den Brexit mit den Briten nachzuverhandeln. Das könnte eine Chance für die Schweiz sein. Bundespräsident Ueli Maurer aber will sich nicht festlegen.
Publiziert: 16.01.2019 um 19:25 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2019 um 09:24 Uhr
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Bundesrat Ueli Maurer will mit Brüssel über das Rahmenabkommen nachverhandeln. Aus Brüssel heisst es bis jetzt: No way.
Foto: Keystone
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Sermîn FakiPolitikchefin

Die Briten gehen volles Risiko: Das Unterhaus hat am Dienstag den von Premierministerin Theresa May (62) ausgehandelten Brexit-Deal abgelehnt. Sie mussten davon ausgehen, dass es damit zu einem ungeordneten Austritt des Königreichs aus der EU kommt. Denn Brüssel hatte gegenüber London immer klar gemacht: Entweder das oder gar nichts.

Doch schon wenige Stunden später zeigt sich die EU nachgiebiger: Nach Angaben des Brexit-Chefunterhändlers Michel Barnier (68) ist Brüssel bereit, mit Grossbritannien über einen neuen Austrittsvertrag zu verhandeln. Unter der Voraussetzung, dass die Briten ihre bisherigen «roten Linien» ändern würden. «Ein geordneter Austritt bleibt in den nächsten Wochen unsere absolute Priorität», so Barnier.

Die Schweiz steht vor ganz ähnlichen Problemen

Aufmerksamen Beobachtern aus der Schweiz fallen sofort gewisse Parallelen auf: Auch hierzulande steht das Rahmenabkommen vor dem Aus, weil sich innenpolitisch keine Mehrheit dafür finden lässt. Und sollte der Bundesrat im Sommer Ja zum Vertrag sagen, wird es im Parlament Schiffbruch erleiden.

Auch gegenüber Bern spielt Brüssel den harten Hund. Der Vertragsentwurf sei als «endgültig» anzusehen, sagte EU-Kommissar Johannes Hahn (61) kurz vor Weihnachten. «Es kann keine neuen Verhandlungen oder Nachverhandlungen geben.»

Maurer will sich noch nicht festlegen

Stellt sich die Frage, ob Brüssel auch gegenüber Bern blufft, um dann auch in der EU-Pokerrunde mit der Schweiz wie bei den Briten einzuknicken. Bundespräsident Ueli Maurer (68, SVP) wollte sich am Mittwoch nicht in die Karten blicken lassen. «Fragen Sie mich in einigen Monaten nochmal», sagte er zu BLICK auf die Frage, ob mit Brüssels Nachgeben gegenüber London auch für die Bern Nachverhandlungen drinliegen. 

Maurer glaubt, dass die innenpolitischen Fronten bis im Sommer geklärt sein werden. Der Bundesrat hat gerade die Konsultation zum EU-Rahmenvertrag eröffnet. In den kommenden Wochen will er bei Sozialpartnern, Parteien, Kantonen und Verbänden ihre Meinung zum Vertragsentwurf einholen. «Ich denke, dass wir danach konkrete Kritikpunkte und Forderungen auf dem Tisch haben werden», so Maurer.

Die Zwischenzeit wird der Bundesrat aber auch nutzen, um weiterhin im Gespräch zu bleiben mit der EU-Kommission. Maurer kündigte an, am WEF in Davos verschiedene EU-Vertreter zu treffen. Das Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums geht kommende Woche über die Bühne. 

Darum geht es beim Rahmenabkommen

Die EU hat genug von der «Rosinenpickerei» der Schweiz und fordert: Wenn ihr neue Abkommen wollt, dann müssen wir sicherstellen, dass ihr Änderungen des EU-Rechts übernehmt. Es soll nicht bei jedem Abkommen nachverhandelt werden, sondern das soll mehr oder weniger automatisch passieren.

Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:

  • Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
  • Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
  • Wie wird sichergestellt, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
  • Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.

Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Der Bundesrat konnte ein Schiedsgericht aushandeln. Dieses wäre zu gleichen Teilen mit Schweizer und EU-Richtern besetzt. Die Schiedssprüche sind verbindlich. Setzt die unterlegene Partei diese nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber «verhältnismässig» sein. Sie dürfen also nicht völlig unangebracht drastisch ausfallen. Bestimmte Entscheide könnten zudem vom Europäischen Gerichtshof gefällt werden.

Umstritten ist auch der Geltungsbereich des Abkommens. Die EU verlangt etwa, dass die Schweiz ihren Lohnschutz anpasst. Weitere Knackpunkte sind Staatsbeihilfen, etwa für Energieversorger oder Staatsgarantien für Banken sowie die Unionsbürgerrichtlinie, mit der EU-Bürger schneller Zugang zur Sozialleistungen erhalten würden.

Die EU hat genug von der «Rosinenpickerei» der Schweiz und fordert: Wenn ihr neue Abkommen wollt, dann müssen wir sicherstellen, dass ihr Änderungen des EU-Rechts übernehmt. Es soll nicht bei jedem Abkommen nachverhandelt werden, sondern das soll mehr oder weniger automatisch passieren.

Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:

  • Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
  • Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
  • Wie wird sichergestellt, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
  • Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.

Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Der Bundesrat konnte ein Schiedsgericht aushandeln. Dieses wäre zu gleichen Teilen mit Schweizer und EU-Richtern besetzt. Die Schiedssprüche sind verbindlich. Setzt die unterlegene Partei diese nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber «verhältnismässig» sein. Sie dürfen also nicht völlig unangebracht drastisch ausfallen. Bestimmte Entscheide könnten zudem vom Europäischen Gerichtshof gefällt werden.

Umstritten ist auch der Geltungsbereich des Abkommens. Die EU verlangt etwa, dass die Schweiz ihren Lohnschutz anpasst. Weitere Knackpunkte sind Staatsbeihilfen, etwa für Energieversorger oder Staatsgarantien für Banken sowie die Unionsbürgerrichtlinie, mit der EU-Bürger schneller Zugang zur Sozialleistungen erhalten würden.

Die Schritte ins Brexit-Chaos
  • 23. Januar 2013
    Um die Briten zu beruhigen, kündigt Premierminister David Cameron eine Abstimmung zum Brexit an.
     
  • 23. Juni 2016
    51,9 Prozent der Briten stimmen für den Austritt aus der EU.
     
  • 29. März 2017
    London reicht in Brüssel die Austrittserklärung ein. Die Uhr beginnt zu ticken, in zwei Jahren – am 29. März 2019 – müssen die Briten draussen sein.
     
  • 18. Januar 2018
    Das britische Unterhaus stimmt dem Austrittsgesetz zu.
     
  • 7. März 2018
    EU-Ratspräsident Donald Tusk betont, Grossbritannien werde nur noch wie ein Drittstaat behandelt.
     
  • 23. März 2018
    Die EU stimmt einer Übergangsphase zu. Den Briten blieben nach dem Brexit bis Ende 2020 alle Vorzüge und Pflichten eines EU-Landes.
     
  • 6. Juli 2018
    May schwört ihr Kabinett auf einen «weichen Brexit» ein. Kurz darauf treten Aussenminister Boris Johnson und Brexit-Chefunterhändler David Davis verärgert zurück.
     
  • 17. Oktober 2018
    Beim EU-Gipfel gibt es immer noch keinen Durchbruch. Stolperstein bleibt die Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland.
     
  • 15. November 2018
    Nach der Einigung zwischen Brüssel und London auf den Text eines Austrittsabkommens treten aus Protest gleich mehrere von Mays Ministern zurück.
     
  • 25. November 2018
    Die Chefs der 27 EU-Länder stimmen dem Austrittsvertrag zu.
     
  • 11. Dezember 2018
    Wegen einer drohenden Niederlage verschiebt May die Abstimmung im Unterhaus über den Austrittsvertrag. Die Empörung über ihre Verzögerungstaktik ist gross.
     
  • 12. Dezember 2018
    Die Tories blasen in einem Misstrauensvotum zum Angriff auf ihre Parteichefin und Premierministerin. May übersteht die Vertrauensabstimmung mit 200 zu 117 Stimmen und bleibt auf ihrem Posten.
     
  • 15. Januar 2019
    Das britische Parlament hat Theresa Mays Brexit-Deal wuchtig mit 432 zu 202 Stimmen abgelehnt. Bis zum 31. Januar muss nun eine Lösung gefunden werden, ansonsten ist der harte Brexit Tatsache. Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn stellt einen Antrag auf Vertrauensabstimmung und fordert Neuwahlen.
     
  • 16. Januar 2019
    Die britische Premierministerin Theresa May übersteht zum zweiten Mal innert wenigen Wochen eine Vertrauensabstimmung – diesmal im Parlament. Nach dem überstandenem Misstrauensvotum ruft May das Parlament zur Geschlossenheit in der Brexit-Frage auf.
     
  • 21. Januar 2019:
    May stellt dem Parlament keinen neuen Plan vor, sondern beharrt auf ihrer Linie. Die Premierministerin wiederholte den Aufruf, dass ein harter Ausstieg verhindert werden soll. May will ferner keine zweite Abstimmung, da sie im Parlament keine Mehrheit finden würde. In den nächsten Tagen will sie mit den Abgeordneten über die Nordirland-Lösung («Backstop») diskutieren.
     
  • 29. Januar 2019:
    Bei einer zweiten Abstimmung einigt sich dass britische Parlament darauf, dass es Nachverhandlungen mit der EU braucht. Nur zwei Monate vor dem Brexit will Theresa May das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen wieder aufschnüren. Doch Die Europäische Union lehnt die Änderung des Brexit-Vertrags nach wie vor ab.
     

  • 14. Februar 2019:
    Theresa May verliert erneut eine Abstimmung zum Brexit: Rund sechs Wochen vor dem EU-Austritt hat das britische Parlament die Beschlussvorlage der Regierung abgelehnt, welche die Entscheidungen einer Abstimmungsrunde von Ende Januar als Ganzes bestätigen sollte. Dazu gehörte auch die Ablehnung eines Brexits ohne Abkommen.

  • 26. Februar 2019
    Theresa May gibt ihren Widerstand gegen eine Verschiebung des Brexit auf und stellt einen Drei-Stufen-Plan vor: Am 12. März will sie (erneut) über den Brexit-Entwurf abstimmen. Sollten ihn die Parlamentarier ablehnen, will sie am 13. März darüber abstimmen lassen, ob Grossbritannien die EU ohne Abkommen verlassen soll (No-Deal-Szenario). Lehnen die Parlamentarier auch das ab, will sie am 14. März darüber abstimmen lassen, den Brexit zu verschieben.

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