Erste Bilanz der Winterthurer Dschihad-Spezialisten
Schon 17 Verdachts-Fälle

Die Beratungen der neuen Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention in Winterthur sind gefragt - sowohl bei der Bevölkerung als auch bei Fachleuten. Zu diesem Schluss kommt der Leiter der Fachstelle, der seit 100 Tagen im Amt ist.
Publiziert: 20.01.2017 um 15:30 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 22:10 Uhr
Die Beratungen der neuen Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention in Winterthur sind gefragt. (Archivbild)
Foto: WALTER BIERI

Die Fachstelle hat den Auftrag, gefährdete Personen zu erreichen, bevor sie die Grenze zwischen legalen radikalen Positionen und illegalen strafbaren Handlungen überschreiten.

Der Leiter, Urs Allemann, hat seine Tätigkeit Anfang Oktober 2016 aufgenommen. Seither hat die Fachstelle neben Referaten insgesamt 17 Beratungen durchgeführt, wie Allemann am Freitag vor den Medien sagte. Dabei ging es um Jugendliche und junge Erwachsene.

In elf der 17 Fälle wandten sich Fachpersonen wie Lehrer oder Jugendarbeiter an die FSEG, einmal war es ein Angehöriger und fünfmal kamen die Anfragen aus der Bevölkerung. Die Beratungsarbeit bewege sich dabei zwischen ganz harmlosen Situation bis hin zu solchen, die ein Einschreiten der Strafbehörden notwendig machen.

Allemann präsentierte den Medien Beispiele aus der Praxis. Da war beispielsweise eine Lehrerin, die meldete, dass sich einer ihrer Schüler mit nordafrikanischen Wurzeln seit den Weihnachtsferien verändert habe. Seine Mutter hatte vor wenigen Monaten einen sehr konservativen Muslim geheiratet. In diesem Fall bleibt die FSEG nahe dran und beobachtet weiter.

Jihadismus sei kein Winterthurer Problem

Ein anderer Fall betraf einen Vater, der sich Sorgen um seinen Sohn machte. Während den Beratungsterminen wurde dann klar, dass der junge Mann radikalisiert worden ist. Der Vater fand beispielsweise eine Notiz mit dem Satz «Jihad ist Pflicht» und der Verdacht kam auf, dass der Sohn nach Syrien reisen wollte. In diesem Fall wurde die Polizei informiert.

Wie oft die Strafbehörden insgesamt hinzugezogen wurden, gab man am Freitag nicht bekannt. Es sei noch zu früh, die Zahlen nicht repräsentativ. «Eine Meldung an die Strafbehörden ist aber ein Ausnahmefall», sagte der zuständige Stadtrat Nicolas Galladé (SP).

Er betonte auch, dass Jihadismus kein Winterthurer Phänomen sei. Zudem gebe es aktuell keine Hinweise darauf, dass in Winterthur ein ausgeprägtes Extremismus-Potential bestehe. Der Stadtrat ist davon überzeugt, dass Winterthur bezüglich Früherkennung und Prävention - auch dank der neuen Fachstelle - gut aufgestellt ist. «Wir sind unterwegs und lernen laufend dazu», sagte er.

Die FSEG ist vorerst bis Ende 2018 befristet. Man wolle erst Erfahrungen sammeln, dann werde der Stadtrat entscheiden, wie er weiterfahren wolle, sagte Galladé.

«Es ist wichtig, Schlüsselpersonen zu mobilisieren»

In Winterthur besteht der Kern des Präventionsnetzwerks neben der Extremismus-Fachstelle auch aus der Fachstelle Integrationsförderung und der Stadtpolizei. Enge Kontakte bestehen auch mit Schulen, Schulsozialarbeit, Quartierentwicklung und Jugendarbeit. Auch mit den verschiedenen Moschee-Gemeinden stehe man in Kontakt. «Es ist wichtig, Schlüsselpersonen zu mobilisieren», sagte Allemann.

Erfahrungen aus dem In- und Ausland zeigen gemäss FSEG, dass ein integraler, lokaler Ansatz für die frühzeitige Erkennung und Verhinderung von gewaltextremistischer Radikalisierung wesentlich sei.

Winterthur war in jüngster Zeit immer wieder in die Schlagzeilen geraten, weil schon mehrere junge Menschen aus der Stadt nach Syrien gereist sind und sich dem IS angeschlossen haben. Auch die umstrittene An'Nur-Moschee in Winterthur-Hegi sorgt immer wieder für Aufsehen. (SDA)

An’Nur ohne Präsident

Seit Monaten steht die An’Nur-Moschee in der Kritik. Mehrere Jugendliche, die dort verkehrten, gingen nach Syrien und schlossen sich der Terrortruppe Islamischer Staat an. Jetzt wirft Präsident Atef Sahnoun, das Handtuch: «Genug ist genug», sagte er gestern dem «Tages-Anzeiger». «Ich kann nicht mehr.» Immer wieder hatte Sahnoun versucht, seine Moschee zu verteidigen und in ein besseres Licht zu rücken. Zuletzt trat er in der Sendung «Schawinski» auf, gab aber ein schlechtes Bild ab. Seit dem TV-Termin, so Sahnoun, werde auch sein nicht ordnungsgemäss registriertes Unternehmen angegriffen. Er müsse weitere Angriffe auf die Firma verhindern. «Sie ist mein Leben.»

Atef Sahnoun, bisher Präsident von An'Nur, wirft das Handtuch.
Atef Sahnoun, bisher Präsident von An'Nur, wirft das Handtuch.
Valeriano Di Domenico

Seit Monaten steht die An’Nur-Moschee in der Kritik. Mehrere Jugendliche, die dort verkehrten, gingen nach Syrien und schlossen sich der Terrortruppe Islamischer Staat an. Jetzt wirft Präsident Atef Sahnoun, das Handtuch: «Genug ist genug», sagte er gestern dem «Tages-Anzeiger». «Ich kann nicht mehr.» Immer wieder hatte Sahnoun versucht, seine Moschee zu verteidigen und in ein besseres Licht zu rücken. Zuletzt trat er in der Sendung «Schawinski» auf, gab aber ein schlechtes Bild ab. Seit dem TV-Termin, so Sahnoun, werde auch sein nicht ordnungsgemäss registriertes Unternehmen angegriffen. Er müsse weitere Angriffe auf die Firma verhindern. «Sie ist mein Leben.»

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