Seit dem Bootsunglück im Mittelmeer, bei dem gegen 800 Flüchtlinge ums Leben kamen, fordern Politiker die Schaffung legaler Migrationswege. Wie drängend das Problem ist, zeigte sich am vergangenen Wochenende erneut in erschreckender Deutlichkeit: Über 6000 Menschen gerieten in Seenot und mussten gerettet werden.
Die Schweiz kennt ein Instrument für die legale Flucht, das «Visum aus humanitären Gründen». Es wurde 2012 als Ersatz für das Botschaftsasyl eingeführt. Wer an Leib und Leben bedroht ist, kann sich auch heute an eine Schweizer Vertretung wenden. Nach einer Fallprüfung kann der Bund eine Einreise in die Schweiz erlauben.
BLICK-Recherchen zeigen aber, dass diese legale Brücke aus dem Elend äusserst schmal ist. Trotz einzigartiger Flüchtlingskrise erhielten zwischen Herbst 2012 und April 2015 nur 191 Personen ein humanitäres Visum, rund 70 pro Jahr. 1247 Gesuche lehnten die Bundesbehörden ab. Vom Botschaftsasyl hatten noch erheblich mehr Flüchtlinge profitiert. Nämlich rund 200 Personen pro Jahr.
Beim Staatssekretariat für Migration (SEM) verteidigt man die tiefen Zahlen: Das humanitäre Visum sei nur für Einzelfälle gedacht. Wer Schutz brauche, erhalte Schutz, so SEM-Sprecher Martin Reichlin.
Für Kritiker ist jedoch klar: Die Behörden sind zu streng. SP-Nationalrätin Cesla Amarelle bezeichnet die Bewilligungspraxis als «äusserst restriktiv». Flüchtlinge, die ihre Heimat verlassen müssten und den Antrag für ein humanitäres Visum in einem Drittstaat stellten, hätten kaum Aussicht auf Erfolg, so Amarelle.
«Ihnen wird entgegnet, dass sie sich in einem Drittstaat und damit nicht mehr in Not befänden. Ihr Visumsantrag wird deshalb verweigert.» Nun fordert Amarelle breitere Massnahmen: massive humanitäre Kontingente. Ganz anders tönt es bei Bürgerlichen.
Bezüglich der Schaffung von neuen «legalen Migrationswegen» ist SVP-Migrationspolitiker Heinz Brand «sehr skeptisch». Er befürchtet einen noch stärkeren Andrang von Asylbewerbern. «Unsere Aufnahmekapazitäten und Ressourcen sind begrenzt», sagt Brand.