Foto: KEY

Empa-Forscher Peter Wick präsentiert St. Galler Antikörperstudie
Bietet Corona-Impfung zu kurzen Schutz?

Eine St. Galler Antikörperstudie zeigt, dass die Immunreaktion bei Corona-Erkrankten relativ rasch abnimmt. Von «Herdenimmunität» könne keine Rede sein, so Empa-Forscher Peter Wick. Und eine Impfung biete daher allenfalls «nur einen verhältnismässig kurzen Schutz».
Publiziert: 08.09.2020 um 14:06 Uhr
|
Aktualisiert: 08.09.2020 um 16:52 Uhr
Ruedi Studer

Für die Forschung ist klar: Ohne wirksame Impfung wird das Coronavirus die Welt noch lange auf Trab halten. Dass eine natürliche Herdenimmunität entsteht, indem möglichst viele Menschen die Covid-19-Erkrankung durchmachen, ist fraglich.

Das sieht auch Forscher Peter Wick (49) von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) so, wo er das Labor Particles-Biology Interactions in St. Gallen leitet. Sein Team war nämlich an einer entsprechenden Antikörperstudie beteiligt: Dabei wurden über zwölf Wochen hinweg die Blutwerte von 160 Personen mit einem bestätigten, aber eher milden Covid-19-Verlauf untersucht.

Von «Herdenimmunität» keine Rede

Das beunruhigende Resultat: «Die Immunantwort auf das Virus nahm bereits fünf Wochen nach der Infektion wieder ab», sagt Wick in einem auf der Empa-Homepage aufgeschalteten Interview. Bei den Männern habe die Immunität deutlich rascher abgenommen als bei Frauen.

Empa-Forscher Peter Wick war an einer Studie beteiligt, welche zeigt, dass die Immunität bei Corona-Erkrankten relativ rasch abnimmt.
Foto: Empa
1/7

Für Wick ist klar: Wenn man bereits zwei Monate nach einer Infektion wieder empfänglich für das Coronavirus sei, könne von einer «Herdenimmunität» keine Rede sein. «Einen breiten Schutz der Bevölkerung aufgrund von Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben und dadurch immun sind, könnte es dann nicht geben.»

Nur kurzer Impfschutz?

Was dem Forscher aufgrund der Studienresultate ebenfalls auffiel: «Es ist aufgrund unserer Daten denkbar, dass eine Covid-Impfung nur einen verhältnismässig kurzen Schutz bietet.» Das sei aber auch abhängig von der Art des Impfstoffs und dem Intervall zwischen den Auffrischungsimpfungen. Grundsätzlich solle ein Impfstoff aber einen möglichst lang anhaltenden Schutz erzeugen. Deshalb seien die Studienergebnisse entscheidend für die künftige Impfstrategie.

«Den ultimativen Test, wie lange eine Wirkung wirkt, wissen wir erst, wenn wir mit impfen beginnen», ergänzt Wick gegenüber BLICK. Er hält es für möglich, dass eine Mehrfachimpfung notwendig wird. «Auch bei Hepatitis braucht es in zeitlichen Abständen drei Impfdosen, damit der Schutz langfristig wirkt.»

Allenfalls hänge der Impfschutz-Wirkung auch von der jeweiligen Personengruppe oder von genetischen Bedingungen ab. «Wir wissen noch nicht, ob ein Impfstoff bei Europäern, Asiaten oder Amerikanern unterschiedlich wirkt oder nicht.» So habe beispielsweise eine isländische Studie gezeigt, dass die Immunreaktion gut vier Monate gehalten habe.

St. Galler Studie ausweiten

Um bessere Erkenntnisse zu gewinnen, soll die St. Galler Studie fortgeführt und ausgeweitet werden. «Wir haben nur eine Teilpopulation untersucht», so Wick. «Wie es sich zum Beispiel bei Covid-Erkrankten mit keinen oder schweren Symptomen verhält, wissen wir noch nicht.» Eine breite Datenbasis sei wichtig, um die künftige Impfstrategie zu definieren.

Die jetzige Studie habe «einen ersten Trend aufgezeigt», nun wolle man die Immunreaktionen noch genauer unter die Lupe nehmen – sodass etwa auch auf die Bereiche Alter oder Risikogruppen Rückschlüsse gezogen werden können. Oder damit etwa spezifische Fragen geklärt werden könnten, zum Beispiel weshalb bei vereinzelten Ehepaaren der eine Teil schwer an Covid erkrankte und der andere nicht.

«Im Hinblick auf eine personalisierte Medizin ist das Untersuchen von Subpopulationen von Infizierten ein wichtiger Aspekt», so Wick. «Impfstrategien könnten also gegebenenfalls für unterschiedliche Patienten oder Patientengruppen anders aussehen.»

Wick geht davon aus, dass die Impfstrategie noch für viele Diskussionen sorgen wird. «So wie uns dieses Jahr die Masken-Frage beschäftigte hat, werden wir uns nächstes Jahr mit der Impf-Frage auseinandersetzen – sobald die ersten Produkte auf den Markt kommen.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Kommentare