Es ist das letzte Dorf vor Italien. Gondo, hinter dem Simplonpass, ein paar Häuser, eingequetscht zwischen Tankstellen und Grenze.
Diese Walliser Gemeinde, die eben ihren 85. Einwohner begrüssen durfte, ist einer der Gewinnerinnen der Agrarreform – fast verdoppelt haben sich die Direktzahlungen an die Landwirte.
Zwölf steile Kurven führen hoch ins angrenzende Zwischbergental. Hier arbeiten Jakob (59) und Neffe Yannick (19) Squaratti auf ihrem Hof. Das Land ist abschüssig, weit und breit kein Stück flacher Erde.
«Schon mein Vater hat hier als Landwirt gearbeitet, bald wird Yannick den Hof übernehmen», erzählt Jakob, als er sein Reich zeigt. Am Hang weiden 18 Kühe und ein Muni – keine hochgezüchteten Milchkühe, die kämen auf diesem Land nicht zurecht.
Zulagen für neue Maschinen
«Wir bekommen etwa 6000 bis 7000 Franken mehr», erzählt auch Jungbauer Yannick, «damit konnten wir neue Maschinen kaufen.» Sie machen das Arbeiten zwar einfacher, trotzdem müsse noch vieles von Hand gemacht werden.
Sechs Wochen lang wird geheut, das Gras die steilen Hänge hochgetragen. «Im Flachland haben andere dafür einen Tag», erzählt Yannick, während eine der braunen Kühe – Anna – ihn neugierig beschnuppert. «Ohne Freunde und Verwandte würden wir das nicht schaffen.»
Was würde passieren, wenn die Direktzahlungen gestrichen würden? «Dann könnten wir nicht mehr davon leben», ist er überzeugt, es würde nicht mal reichen, um die Spesen, Versicherungen und Wartungen der Maschinen zu bezahlen.
«Tal würde ohne Direktzahlungen veröden»
Tiefer im Tal liegt neben einem Wohnhaus und einem Restaurant idyllisch eine Kapelle. Von den zwölf Bauern, die hier einst zur Messe gingen, sind nur noch Jakob und Yannick geblieben.
Im Restaurant ist es ruhig, es ist das letzte Wochenende vor der Winterpause. Lukas Escher (58) hantiert in der Küche.
Als der Walliser das erste Mal ins Zwischbärgutal kam, habe er fast nur noch alte Leute angetroffen, erinnert er sich. «Gerade in den 60er-Jahren sind viele in die Stadt gezogen, um ein leichteres Leben zu haben.»
Er kämpfte gegen diesen Trend an und baute eine alte Alp wieder auf. Seit 38 Jahren kommt er nun jeden Sommer her, übernimmt von Juni bis September Dutzende Kühe und Ziegen.
Aus der gewonnenen Milch produziert er Käse – über dem Holzfeuer, denn Strom gibt es auf der Alp nicht –, den er im Restaurant an Wanderer verkauft.
Mit den Zusatzeinnahmen durch die Direktzahlungen kann er seinen Helfern auch etwas zahlen. «Ohne diese Unterstützung verkäme dieses Tal zu einer Öde», ist er überzeugt. Ausserdem würden die Geissen dafür sorgen, dass die Verwaldung nicht zunimmt – auch zum Vorteil der Städter, die sich hier im Sommer jeweils erholen.
Zurück im Dorf, Gemeindepräsident Roland Squaratti (48), Vater von Yannick und Bruder von Jakob, verabschiedet die letzten Teilnehmer einer Dorfführung.
Ein Beitrag an die Sicherheit
Die 3200 Hektar, ist er sich sicher, würden ohne Direktzahlungen verwildern. Kürzlich fuhr er mit dem Zug durch die Deutschschweiz: topfeben. «Wenn man unsere Topografie vergleicht, können unsere Bauern nie gleich effizient produzieren», musste er feststellen.
Aber die Direktzahlungen helfen nicht nur den Bauern und sorgen für ein schönes Landschaftsbild, «es geht hier auch um Sicherheit, denn nicht gepflegte Hänge können schnell zur Katastrophe führen».
Erinnerungen an das Jahr 2000 werden wach, als eine Hangmure das halbe Dorf zerstörte. Wenn Kritik an den Direktzahlungen laut wird, hat er nur noch etwas zu sagen: «Die sollen mal eine Woche bei uns arbeiten.»