Digitales Testament soll möglich werden
Mit Video einen Erbstreit beenden

FDP-Nationalrat Marcel Dobler findet die persönliche Vorsorge in der Schweiz diskriminierend gegenüber Menschen mit körperlicher Behinderung. Deswegen möchte er sie ändern: Testamente sollen auch per Video-Botschaft festgehalten werden können.
Publiziert: 01.09.2020 um 07:15 Uhr
Noa Dibbasey

Testamente und Vorsorgeaufträge können bislang nur auf zwei Arten festgehalten werden: Entweder man schreibt und unterzeichnet sie von Hand oder man lässt sie von einem Notar überprüfen. Letzteres kostet einen aber schnell mal mehrere Hundert Franken. Es liegt nahe, sich dieses Geld zu sparen und diese Anliegen handschriftlich festzuhalten. Doch was, wenn man keine Hände hat, blind ist oder ein anderes Handicap einem diese Option verwehrt?

«Das ist diskriminierend und nicht mehr zeitgemäss», findet FDP-Nationalrat Marcel Dobler (40, SG). Er reichte deswegen kurzerhand ein Postulat im Parlament ein, das prüfen soll, ob man das Erwachsenenschutzrecht in dieser Hinsicht ändern könne. Sein Vorschlag: Auch in einem Video sollen Testament und Vorsorgeaufträge festgehalten werden können.

Dobler findet Zustimmung aus verschiedenen Parteien

Das ergebe insofern Sinn, da es ja hauptsächlich darum gehe, den Urheber des Testaments zu verifizieren, meint Dobler. «In einem Video ist der Testierende klar ersichtlich – wie bei einem handschriftlichen Testament.» Der Schweizer Blinden- und Sehbehindertenverband unterstützt diesen Vorschlag tatkräftig.

Ein Testament schreiben war gestern: FDP-Nationalrat Marcel Dobler findet, es sei höchste Zeit für ein Testament-Video.
Foto: Keystone
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Doch nicht nur bei Verbänden, sondern auch bei den anderen Parteien findet Doblers Idee Anklang. Zum Beispiel bei CVP-Nationalrat Christian Lohr (58). Der Thurgauer wurde ohne Arme und mit missgebildeten Beinen geboren und setzt sich häufig für solche Anliegen ein. Aber auch von den Linken bekommt FDP-Dobler Unterstützung. SP-Nationalrätin Martina Munz (64, SH) und der grüne Nationalrat Gerhard Andrey (44, FR) unterzeichneten das Postulat mit.

Grund für Engagement: Michael Schumacher

«Dieses Thema betrifft aber nicht nur Alte. Ein Unfall kann jedermann jederzeit passieren», so der St. Galler FDP-Nationalrat. Darauf aufmerksam wurde er nach dem Ski-Sturz von Formel-1-Star Michael Schumacher (51), der sich 2013 schwer am Kopf verletzte und seither in medizinischer Behandlung ist. Auch Dobler ist leidenschaftlicher Sportler.

Mit einem Vorsorgeauftrag hat die Kesb nichts zu sagen

Corinna Schumacher (51) muss die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) fragen, wenn sie ein Haus verkaufen oder einen Kredit aufnehmen will. Hätte Michael Schumacher (51) einen Vorsorgeauftrag verfasst, wäre seiner Frau das erspart geblieben.

Im Vorsorgeauftrag legt man fest, wer die Vertretung übernimmt, wenn man dazu nicht mehr in der Lage ist, wer die Finanzen regeln und das Vermögen verwaltet. Selbst Verheiratete haben ohne eine solche Verfügung nur beschränkte Befugnisse. Stattdessen, so sieht es das Gesetz vor, schaltet sich die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ein und bestimmt einen Beistand. Wie bei Schumachers.

Will man also möglichst wenig mit der Kesb zu tun haben, wird dringend zu einem Vorsorgeauftrag geraten. Diesen kann man entweder wie ein Testament von Hand schreiben, datieren und unterschreiben. Oder man lässt ihn von einem Notar aufsetzen und beurkunden.

Wichtig auch: Die Kesb akzeptiert nur Vorsorgeaufträge, die im Original vorliegen. Das heisst: an einem Ort aufbewahren, wo die Verwandten ihn auch finden.

Corinna Schumacher (51) muss die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) fragen, wenn sie ein Haus verkaufen oder einen Kredit aufnehmen will. Hätte Michael Schumacher (51) einen Vorsorgeauftrag verfasst, wäre seiner Frau das erspart geblieben.

Im Vorsorgeauftrag legt man fest, wer die Vertretung übernimmt, wenn man dazu nicht mehr in der Lage ist, wer die Finanzen regeln und das Vermögen verwaltet. Selbst Verheiratete haben ohne eine solche Verfügung nur beschränkte Befugnisse. Stattdessen, so sieht es das Gesetz vor, schaltet sich die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ein und bestimmt einen Beistand. Wie bei Schumachers.

Will man also möglichst wenig mit der Kesb zu tun haben, wird dringend zu einem Vorsorgeauftrag geraten. Diesen kann man entweder wie ein Testament von Hand schreiben, datieren und unterschreiben. Oder man lässt ihn von einem Notar aufsetzen und beurkunden.

Wichtig auch: Die Kesb akzeptiert nur Vorsorgeaufträge, die im Original vorliegen. Das heisst: an einem Ort aufbewahren, wo die Verwandten ihn auch finden.

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Der Fall Schumacher zeigt: Nicht nur Testamente, sondern auch Vorsorgeaufträge sind wichtig. Denn damit kann jeder urteilsfähige Erwachsene eine Person seines Vertrauens beauftragen, für ihn zu handeln, sobald er selber urteils- und damit handlungsunfähig geworden ist. Zum Beispiel dann, wenn man im Koma liegt.

Aber auch in Zeiten von Corona sei ein Vorsorgeauftrag von grosser Bedeutung, so Martin Abele, Leiter Interessenvertretung des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbands SBV.

«Die Schweiz könnte damit Geld sparen»

«Dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen weder Testament noch Vorsorgeauftrag autonom und kostenfrei errichten können, verstösst gegen das Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung», so Abele. Dieses verpflichtet die Schweiz nämlich dazu, Benachteiligungen, denen Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind, zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen.

«Sowieso hat die Schweiz grossen Aufklärungsbedarf, wenn es um die persönliche Vorsorge geht», findet der FDP-Nationalrat. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde müsse in zu vielen Fällen eingreifen, weil eine Menge Schweizerinnen und Schweizer keine Vorsorgeaufträge ausfüllen. «Ich bin für mehr Selbstbestimmung», sagt Multimillionär Dobler.

Die Menschen sollen selber festhalten, wie ihre Vorsorge bei einer Handlungsunfähigkeit ausschauen soll – staatliche Behörden müssten sich dabei nicht einmischen. «Das spart Geld für den Staat und löst viele Probleme auch im familiären Umfeld», findet er.


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