Im Kanton Graubünden endet eine Ära. Seit über 60 Jahren schickte der Kanton jeweils fünf Nationalräte nach Bern. Doch damit ist jetzt Schluss. Der Bundesrat hat am Mittwoch neu berechnet, welcher Kanton wie viele Politiker in die grosse Kammer entsendet. Weil die Bevölkerung im Bergkanton weniger rasch wächst als etwa in Luzern, verlieren die Bündner bei den Wahlen 2027 einen Sitz.
Auch der Kanton Bern verliert einen Sitz – nicht zum ersten Mal: Bereits 2015 und 2019 musste Bern jeweils einen abgeben. Neu entsendet er nur noch 23 Politikerinnen und Politiker ins Bundeshaus. Zu den Gewinnern gehören hingegen Luzern und Freiburg: Sie erhalten je einen zusätzlichen Sitz und kommen so auf 10 respektive 8 Sitze.
Grund dafür sind geänderte Zahlen der ständigen Wohnbevölkerung von Ende 2024 im Vergleich zu Ende 2020. Die Nationalratssitze werden vor jeder Legislaturperiode auf die Kantone im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl verteilt, wobei jedoch jeder Kanton Anspruch auf mindestens einen Sitz hat.
Bern 1960 am stärksten vertreten
Im Kanton Luzern wuchs die ständige Wohnbevölkerung gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) in den vergangenen vier Jahren um gut 5 Prozent, im Kanton Freiburg sogar um 6,5 Prozent. Derweil nahm die Bevölkerungszahl in den Kantonen Bern und Graubünden nur um 2,7 respektive 3 Prozent zu. Im gesamtschweizerischen Schnitt betrug das Wachstum rund 4,4 Prozent.
Der Kanton Bern hatte bereits bei den Wahlen 2015 und 2019 je einen Sitz abgeben müssen. Bis in die 1960er-Jahre war der Kanton im Nationalrat am stärksten vertreten, nach der jüngsten Sitzverteilung hat er seither zehn Sitze im Nationalrat eingebüsst. Diese massiven Verluste sind auch auf die verschiedenen territorialen Gebietsabtretungen zurückzuführen, namentlich bei der Gründung des Kantons Jura und beim Kantonswechsel des Laufentals zu Basel-Landschaft.
Vor den letzten Nationalratswahlen 2023 hatte Zürich einen Sitz mehr und Basel-Stadt einen Sitz weniger zu besetzen. Der Kanton Luzern erhält bei den nächsten Wahlen im Herbst 2027 derweil seinen 2019 verlorenen zehnten Sitz zurück.
Aufgrund der Bundesverfassung werden die 200 Nationalratssitze alle vier Jahre vom Volk in direkter Wahl im Proporzverfahren besetzt, wobei die Kantone die Wahlkreise sind. In Wahlkreisen, in denen nur ein Mitglied des Nationalrats zu wählen ist, findet die Wahl im Majorzverfahren statt. Das geschieht in den Kantonen Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell-Ausserrhoden und Appenzell-Innerrhoden.
Gute 150 Jahre lang waren die Nationalratssitze auf der Basis der Ergebnisse der traditionellen eidgenössischen Volkszählung verteilt worden, welche alle zehn Jahre durchgeführt wurde. Mit der Einführung der "neuen Volkszählung" von 2010 kam es zu einem Systemwechsel, der erstmals bei den Nationalratswahlen 2015 zum Tragen kam. Seither werden nicht mehr alle zehn Jahre Personen gezählt, sondern es werden jährlich Registerdaten erfasst.