Die SVP sucht noch ein Ausländer-Thema
Weniger Flüchtlinge, weniger Illegale, weniger Zuwanderer

Die Flüchtlingskrise von 2015 verhalf der SVP zu einem historischen Wahlsieg. Die Migrationsproblematik fehlt der Partei in diesem Jahr. Nun sollen harte Law-and-Order-Forderungen die Lücke füllen.
Publiziert: 13.08.2019 um 12:38 Uhr
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Aktualisiert: 14.08.2019 um 14:15 Uhr
Die SVP unter Parteichef Albert Rösti sucht nach einem wahlkampfträchtigen Ausländerthema.
Foto: Keystone
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Ruedi Studer

2015 surfte die SVP auf der Flüchtlingswelle locker zum Wahlsieg. Mit einem historischen Rekordergebnis von 29,4 Prozent profitierte sie von der damaligen Migrationskrise. Auch zuvor hatte die SVP mit Ausländerthemen gepunktet: 2014 sagte das Stimmvolk Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative, 2010 zur Ausschaffungs-Initiative. Die Problematik brannte dem Stimmvolk unter den Nägeln.

Weniger Flüchtlinge und Illegale

Tempi passati! Die Migrationsfrage hat sich in der laufenden Legislatur deutlich entschärft, wie die neusten Zahlen zeigen: 

  • Weniger Flüchtlinge: Im Rekordjahr 2015 zählte die Schweiz fast 40'000 Asylgesuche. Seither sind die Zahlen stetig gesunken – mit rund 15'000 Gesuchen im letzten Jahr hat sich die Zahl mehr als halbiert. Für dieses Jahr zeichnet sich ein weiterer Rückgang ab. Jüngst machte zudem das besondere Bundesasylzentrums für renitente Asylsuchende in Les Verrières NE dicht – aufgrund zu schwacher Belegung.
     
  • Weniger Illegale: An den Schweizer Grenzen hat sich die Situation ebenfalls massiv entspannt. Im Wahljahr 2015 griff das Grenzwachtkorps rund 31'000 illegale Migranten auf – im Rekordjahr 2016 sogar fast 49'000. Danach sanken die Zahlen auf noch knapp 17'000 im letzten Jahr. «Hauptgrund für die tieferen Migrationszahlen ist die faktische Schliessung der Mittelmeerroute seit dem Jahr 2018», erklärt dazu David Marquis von der Eidgenössischen Zollverwaltung. Er rechnet für 2019 «mit ähnlichen oder etwas tieferen Zahlen wie im Vorjahr». Der Trend ist jedenfalls klar: Bis Ende Juli wurden rund 7600 Aufgriffe registriert – im Vorjahr waren es im selben Zeitraum über 10'000.
     
  • Weniger Zuwanderer: 2008 wanderten unter dem Strich über 100'000 Ausländer in die Schweiz ein. Auch 2013, im Jahr vor der Abstimmung über die Masseneinwanderungs-Initaitive, betrug der Wanderungssaldo hohe 90'000 Personen. Doch auf das Ja zur Initiative folgt der Rückgang. Letztes Jahr betrug der Saldo noch 55'000 Personen. Für 2019 zeigt der Trend bisher nach unten – mit einem Rückgang von 0,8 Prozent im ersten Halbjahr.

SVP droht Wahlschlappe

Weniger Wasser auf die Mühlen der SVP also. Die SVP bekommt sie auch real zu spüren: Bei kantonalen Wahlen hat sie deutlich an Sitzen verloren – wie etwa im Kanton Zürich. Seit 2016 verzeichnete sie unter dem Strich ein Minus von 38 kantonalen Parlamentssitzen. Für die nationalen Wahlen im Herbst sieht es ebenfalls düster aus: Das jüngste SRG-Wahlbarometer sagt der SVP mit einem Minus von 2,9 Prozent eine deutliche Schlappe voraus.

Kein Wunder also, versucht die SVP an alte Erfolge anzuknüpfen – mit alten Rezepten: Just zu Beginn der heissen Wahlkampfphase wärmt sie das Thema Ausländerkriminalität wieder auf.

SVP-Rösti: «Kriminalität weitgehend importiert»

Heute hat die SVP ein neues Positionspapier präsentiert, das allerdings nicht wirklich Neues enthält. Klar ist: Die SVP will Kriminelle im Allgemeinen und kriminelle Ausländer im Besonderen härter anpacken.

Für die SVP hat die Kriminalität nämlich einen Namen: «Die masslose Zuwanderung», wie es im Papier heisst. Dazu zieht die Partei die Statistik von 2018 heran: Rund 80'000 Personen wurden letzten Jahr eines Verstosses gegen das Strafgesetzbuch beschuldigt – etwas mehr als die Hälfte davon Ausländer.

«Gewalt und Kriminalität in der Schweiz sind weitgehend importiert», sagte SVP-Präsident Albert Rösti (51) vor den Medien in Bern. «Sowohl laut der Kriminalstatistik des Bundes als auch laut der Verurteiltenstatistik sind nicht Männer im Allgemeinen, sondern vor allem nicht integrierte Männer gewalttätig.»

Maximale Freiheitsstrafe von 60 Jahren

Die SVP will deshalb, dass hart durchgegriffen wird. Das Bürgerrecht soll leichter entzogen werden können und kriminelle Ausländer  – dazu zählt sie auch «kriminelle Ghettokids» – sollen konsequent ausgeschafft werden. Null-Toleranz verlangt die SVP bei Sexualdelikten und Gewalt gegen Frauen. Ehen unter 16 Jahren sollten als Zwangsheirat und damit als Straftat geahndet werden.

Zudem will die SVP die bedingten Geldstrafen abschaffen, da diese wirkungslos seien. Die maximale Freiheitsstrafe hingegen soll von heute 20 auf 60 Jahre steigen.

Ob es der SVP gelingt, als Law-and-Order-Partei das Ruder im Wahlkampf noch herumzureissen? Darüber entscheidet am 20. Oktober das Wahlvolk.

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