Die Schweiz-Türken könnten die Abstimmung entscheiden
Erdogan kämpft in der Schweiz um jede Stimme

Nur gerade 12'000 Schweiz-Türken wählten bei den letzten Parlamentswahlen Recep Tayyip Erdogans AKP. Mit nationalistischen Parolen erhofft man sich auch Stimmen der gespaltenen Rechtsextremen.
Publiziert: 10.03.2017 um 13:50 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:01 Uhr
Guido Felder

In der Schweiz gibt es nur einige Tausend Türken, die beim Referendum Recep Tayyip Erdogan unterstützen. Dennoch sind sie von grösstem Gewicht. Die ausgeglichenen Ergebnisse bei den Umfragen vor der Abstimmung vom 16. April bedeuten nämlich: Jede Stimme zählt!

Türkei-Kenner Christoph Ramm.

Türkei-Experte Christoph Ramm von der Uni Bern zu BLICK: «Erdogans Partei AKP ist sich dessen bewusst und mobilisiert daher weltweit ihre Leute – eben auch in der Schweiz. Diese aggressive Stimmung beweist auch, dass Erdogan eine Niederlage nicht ausschliesst.»

Nur 12’000 stimmten für die AKP

In der Schweiz gab es bei den türkischen Parlamentswahlen am 1. November 2015 rund 93’000 türkische Wahlberechtigte. Von denen stimmten nur 12’000 für die AKP. Die Opposition mit den Parteien HDP und CHP war mit zusammen rund 30’000 Stimmen mehr als doppelt so stark.

In Deutschland ist das Verhältnis umgekehrt: Die AKP war 2015 mit 340’000 Stimmen die deutlich stärkste Partei. Die andern Parteien erreichten zusammen 235’000 Stimmen. Insgesamt können in Deutschland rund 1,4 Millionen Türken abstimmen.

Der Grund für diese Diskrepanz liegt in der unterschiedlichen Zuwanderungspolitik. Ramm: «Als Deutschland in den 1960er-Jahren das Anwerbeabkommen abschloss, kamen vor allem Türken vom Land und aus eher konservativem Milieu. In der Schweiz hingegen sind viele als Flüchtlinge eingewandert, darunter zahlreiche Kurden.»

Die rechtsextreme MHP: Auch auf ihre Stimmen hofft Erdogan.
Foto: AP

Die medienwirksamen Auftritte von Ministern, die an gewissen Orten in Deutschland sogar verboten worden sind, strahlen auch auf die Stimmberechtigten in der Türkei ab. «Erdogan zeigt den Türkeistämmigen auf diese Weise: Schaut her, wir bieten Europa die Stirn.» Mehr noch: Durch nationalistische Parolen erhoffen sich die Erdogan-Leute, auch von der rechtsextremen MHP, den «Grauen Wölfen», Stimmen zu holen. Die MHP-Parteileitung unterstützt zwar das Referendum, die Basis aber ist gespalten.

Die Kurden in der Schweiz halten sich – bis auf einige kleine Veranstaltungen – von lautstarken Demos zurück. Sie sind auch nicht für Auftrittsverbote der türkischen Minister. Ramm: «Die Kurden wollen den Ball flach halten. Mit eigenen Provokationen würden sie Erdogan nur Auftrieb geben.»

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