Die CVP hat es in der Hand
Pfister kann einen grünen Bundesrat machen

Gerhard Pfister hat mit der Wahl vom Sonntag massiv an Einfluss und Macht gewonnen. Nicht nur im Ständerat – neu ist die CVP auch im Nationalrat die Königsmacherin. Bei Sachthemen, aber auch bei der Frage, wann es einen grünen Bundesrat gibt.
Publiziert: 22.10.2019 um 23:16 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2019 um 08:49 Uhr
Gerhard Pfister und seine CVP rücken wieder in den Fokus.
Foto: AFP
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Ruedi Studer und Nico Menzato

Die Grünen und Grünliberalen sind die grossen Sieger. Die Präsidenten Regula Rytz (57) und Jürg Grossen (50) dominieren die Schlagzeilen.

Doch die heimlichen Wahlsieger sind Gerhard Pfister (57) und seine CVP.
Ihr Wähleranteil bleibt praktisch stabil. Im Nationalrat verliert die
Christlichdemokratische Volkspartei bloss zwei Sitze. Sie verteidigt zudem ihre Bastion Ständerat – und könnte hier sogar ein Mandat hinzugewinnen.

Keine linke und keine rechte Mehrheit ohne CVP

Das Entscheidende aber ist: Die CVP wird wieder zum Zünglein an der Waage. Nicht nur wie bisher im Ständerat, sondern auch im Nationalrat. Die rechte Mehrheit aus SVP und FDP ist futsch. Selbst mit den in Sozial- oder Finanzfragen rechts tickenden Grünliberalen ist nichts zu machen: Das Trio kommt nur auf 98 Sitze.

Doch auch nach links wächst die Bedeutung der CVP: SP und Grüne besetzen gerade mal 67 Sitze. Und in Öko-Themen steht die Allianz aus SP, Grünen und GLP mit 83 ebenso auf verlorenem Posten.

Das heisst: Ohne CVP läuft nichts! Pfister wird zum Mehrheitsbeschaffer – zum Königsmacher. Zumal die Fraktion viel geschlossener stimmt als früher. Das macht die Mittepartei noch schlagkräftiger.

Grüner Bundesrat nur mit Pfisters Segen 

Auch bei den Bundesratswahlen kommt keiner mehr an der CVP vorbei. Ob die Grünen einen Sitz auf Kosten der FDP erhalten, hängt davon ab, ob Pfister seinen Daumen senkt oder hebt.

Für den Moment dürfte er an der aktuellen Sitzverteilung nicht rütteln, doch früher oder später wird die CVP auch im Bundesrat ihre Machtposition zurückhaben wollen – indem sie mal mit der Linken, mal mit der Rechten paktieren kann. Solange vier Vertreter von SVP und FDP regieren, funktioniert das nicht. Von daher wäre es für Pfister verlockend, der FDP einen Sitz zu nehmen und ihn den Grünen zuzuhalten.

CVP wird Klima-Kompromiss schmieden

Auch den wichtigsten Vorlagen im Parlament wird Pfister nun noch stärker den CVP-Stempel aufdrücken. Beispiele gefällig?

  • Bei der AHV-Reform muss es endlich vorwärtsgehen. Entscheidender Punkt ist dabei nicht, ob das Frauenrentenalter auf 65 Jahre erhöht wird, sondern zu welchem Preis. Der Bundesrat will 700 Millionen Franken aufwerfen, um die Nachteile der Frauen abzufedern. Der Rechten ist das zu viel, der Linken zu wenig. Es hängt nun von Pfister ab, auf welche Seite sie sich orientiert. 
  • Beim Klimaschutz wird die CVP zur Brückenbauerin. Beim anstehenden CO2-Gesetz wird sie den links-grünen Forderungsansturm dämpfen müssen, um so die FDP im Boot zu halten. Die SVP hat nämlich bereits das Referendum angekündigt. Pfister wird den Klima-Kompromiss schmieden.
  • In der Verkehrspolitik wird die CVP die Richtung vorgeben. Fliesst noch mehr Geld in Strassen oder Schienen? Mit dem Bahnfonds Fabi und dem Strassenfonds NAF ist die Basis zwar gelegt, doch in den jeweiligen Ausbauschritten wird entschieden, wie viel Geld wohin fliesst. Neu kommt die Velopolitik hinzu: Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga will die Rolle des Bundes stärken. Zieht Pfister mit, macht er mit Links-Grün-Grün die Schweiz zum Veloland.

Konservative geschwächt

Pfister selbst war für BLICK nicht zu sprechen. Er macht in Venedig (I) eine «piccola pausa» vom anstrengenden Wahlkampf, wie er twitterte.

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Generalsekretärin Gianna Luzio (39) bestätigt den Machtzuwachs: «Die CVP wird im Nationalrat wieder vermehrt die Rolle übernehmen können, die sie im Ständerat bereits innehat, und konstruktive Lösungen zum Wohle der Schweiz und ihrer Bevölkerung erarbeiten.»

Das Bilden von starren Allianzen und Blöcken – egal, ob nach links oder rechts – sei nicht zielführend. «Die CVP wird darum aus der politischen Mitte heraus für ihre tragfähigen Lösungen die jeweiligen Partner zu finden haben», so Luzio.

Allmächtig wird Pfister im neuen Parlament aber nicht sein. In gesellschaftspolitischen Fragen tickt das Parlament progressiver. Schwieriger wird es für die konservativen Kräfte CVP und SVP auch in der Landwirtschaftspolitik.

Dass der «Herrscher der Mitte» nicht in jedem Fall schalten und walten kann, wie er will, zeigt sich ausgerechnet beim CVP-Prestigeprojekt: Bei der Abschaffung der Heiratsstrafe muss er mit neuen Hürden rechnen. Hier deutet vieles darauf hin, dass sich SP, Grüne, FDP und Grünliberale durchsetzen werden. Sie wollen die Ehepartner künftig individuell besteuern.

Wahlkampf funktionierte

Was hatte sich Gerhard Pfister vor den Wahlen nicht alles anhören müssen. Die CVP werde neben der SVP die grosse Verliererin sein und falle unter die magische 10-Prozent-Marke, attestierten Umfragen. Pfister politisiere mit seinen Themen am Volk vorbei und setze mit der Social-Media-Kampagne aufs falsche Pferd. 

Es kam anders: Als einzige Bundesratspartei verlor die CVP nur ganz minim. Lange Gesichter gab es dafür bei der SVP, FDP und SP. Offensichtlich haben Pfister und Co. einiges richtig gemacht. So zog seine Partei mit 77 Listen in die Wahlschlacht – Rekord. Diese Flut an Kandidaten mobilisierte die Basis ganz offensichtlich. Vor allem, weil alle Kandidaten sich verpflichten mussten, trotz aussichtsloser Lage aktiv Wahlkampf zu betreiben.

Auch dominierte die CVP mit einer provokativen Negativ-Kampagne im Internet die Schlagzeilen, was der Partei womöglich geholfen hat. Oder gab es einen Amherd-Effekt? Die Verteidigungsministerin wurde in einer Umfrage immerhin zur sympathischen Bundesrätin gekürt. (nmz)

Was hatte sich Gerhard Pfister vor den Wahlen nicht alles anhören müssen. Die CVP werde neben der SVP die grosse Verliererin sein und falle unter die magische 10-Prozent-Marke, attestierten Umfragen. Pfister politisiere mit seinen Themen am Volk vorbei und setze mit der Social-Media-Kampagne aufs falsche Pferd. 

Es kam anders: Als einzige Bundesratspartei verlor die CVP nur ganz minim. Lange Gesichter gab es dafür bei der SVP, FDP und SP. Offensichtlich haben Pfister und Co. einiges richtig gemacht. So zog seine Partei mit 77 Listen in die Wahlschlacht – Rekord. Diese Flut an Kandidaten mobilisierte die Basis ganz offensichtlich. Vor allem, weil alle Kandidaten sich verpflichten mussten, trotz aussichtsloser Lage aktiv Wahlkampf zu betreiben.

Auch dominierte die CVP mit einer provokativen Negativ-Kampagne im Internet die Schlagzeilen, was der Partei womöglich geholfen hat. Oder gab es einen Amherd-Effekt? Die Verteidigungsministerin wurde in einer Umfrage immerhin zur sympathischen Bundesrätin gekürt. (nmz)

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