Darum gehts
- Schweiz hat Frauenwahlrecht spät eingeführt, Kopfschütteln im Ausland
- Unterdessen hat Schweiz vorwärtsgemacht und dient sogar als Vorbild
- Initiative «Bavaria ruft» basiert auf Schweizer Modell «Helvetia ruft»
Erst im Jahr 1971 durften die Schweizerinnen endlich an die Urne – zu einem Zeitpunkt, als das Frauenstimmrecht in Europa längst etabliert war.
Noch Jahre später wunderten sich deutsche Medien über diesen Rückstand. Der «Spiegel» fragte einmal spöttisch: «Wieso war ausgerechnet diese Urdemokratie so lange undemokratisch?» Und «Bild» schrieb süffisant: «Während im Rest von Europa die 68er-Bewegung längst gelaufen war, kämpften hier Frauen noch 1971 für gleiche Rechte.»
«Durchschlagender Erfolg» in der Schweiz
Und heute? Dreht sich der Spiess plötzlich um: Jetzt schauen auch mal die Deutschen zu uns, wenn es um Frauen in der Politik geht!
In Bayern wurde die Kampagne «Bavaria ruft» lanciert. Die Idee dahinter? Kommt aus der Schweiz, und zwar von «Helvetia ruft». Hierzulande läuft die Aktion seit 2019. Das Ziel: Frauen motivieren, zu kandidieren, sich politisch zu engagieren und sichtbarer zu werden. Mit Erfolg: Der Frauenanteil ist seither in vielen Gremien gestiegen.
Deutsche Medien spielen auf die historische Verzögerung beim Schweizer Frauenstimmrecht an, wenn sie über den Gleichstellungs-Export berichten. «Ausgerechnet die Schweiz macht es vor», schrieb etwa die «Nürnberger Zeitung». Zu den Aushängeschildern von «Bavaria ruft» gehören die bayerische Parlamentspräsidentin und Ex-Bundesministerin Ilse Aigner (60, CSU) und Grünen-Star Katharina Schulze (39).
Frauenanteil in Bayern klar tiefer
Auf die Schweizer Idee aufmerksam geworden sind aber mehrere bayerische Bürgermeisterinnen, wie es vonseiten der Initiative heisst. Das Schweizer Modell sei eine Blaupause für «Bavaria ruft», schwärmen die Initiantinnen, es funktioniere «mit durchschlagendem Erfolg». Um das Konzept vorzustellen, reiste kürzlich sogar die Baselbieter Ständerätin Maya Graf (63, Grüne) nach München. Sie ist Co-Präsidentin des Frauendachverbandes Alliance F und einer der Köpfe hinter «Helvetia ruft».
Die Initiative wird im 13-Millionen-Bundesland just ein Jahr vor der Kommunalwahl lanciert. Bayerische Politikerinnen sollen in Mentoring-Programmen gezielt unterstützt und öffentlich sichtbarer werden. Man wolle ein «starkes Frauennetzwerk» schaffen, lautet ein zentrales Ziel.
Tatsächlich konnte der Frauenanteil in der Schweizer Politik in den letzten Jahren insgesamt gesteigert werden, während es in Bayern kaum Fortschritte gibt. Zum Vergleich: In der Schweiz sind rund ein Drittel der Sitze in den Kantonsparlamenten von Frauen besetzt – in Bayern sind es 25 Prozent. Unter den Gemeindepräsidentinnen liegt der Frauenanteil hierzulande bei 19 Prozent, in Bayern beträgt er weniger als 10 Prozent.