Deutliches Nein zur Sexualkunde-Initiative
Traktandum Sex

So heiss wars im Bundehaus noch nie! Der Nationalrat diskutierte über Sexualkunde in der Schule.
Publiziert: 05.03.2015 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 04.10.2018 um 21:50 Uhr
Martina Munz, SP: «In der Schweiz gibt es kaum Teenie-Schwangerschaften. Das zeigt: Die heutige Sexualkunde ist gut und wichtig.»
Foto: Peter Gerber
1/6
Von Nico Menzato, Christoph Lenz und Viviane Bischoff

Unter der Bundeshauskuppel fielen alle Hemmungen! 541-mal wurde gestern das Wort «Sex» im Nationalrat ausgesprochen. Volksvertreter twitterten erregt unter dem Schlagwort «Sex im Parlament», zum Teil nah an der Gürtellinie. Und den Jungsozialisten droht eine Busse, weil sie mit Dildos und Kondomen auf dem Bundesplatz demonstrierten. Was ging da ab in den heiligen Hallen von Bern?

Die Grosse Kammer stritt über die Volksinitiative «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule». Diese verlangt, dass Sexualkunde erst für Schüler ab neun Jahren zulässig ist. Und auch dann nur freiwillig.

Doch wie verbreitet ist die Angst von Eltern, dass ihre Sprösslinge wegen der Sex-Lektionen Schaden nehmen?

Es gibt sie kaum! Das zeigen Zahlen aus dem Wallis. Hier müssen Kinder den Unterricht nicht besuchen, wenn sie nicht wollen. Doch: Von den derzeit 11 749 Schülern haben nur acht eine Dispens beantragt und diese auch erhalten. Dies musste ausgerechnet der Walliser Bildungsdirektor und SVP-Nationalrat Oskar Freysinger einräumen, der im Initiativkomitee sitzt.

Im Bundeshaus blieb das Anliegen absolut chancenlos. Nur 35 SVP-Nationalräte und CVP-Mann Jakob Büchler (SG) stimmten Ja. Sie kritisierten, die Kinder würden in Kindergärten und Primarschulen «immer häufiger mit Pornografie und Sexualkundeunterricht belästigt». Zu viele hätten einen psychischen Schaden erlitten, was die Sozialversicherungen belasten werde, behauptete Verena Herzog (SVP, TG).

Sylvia Flückiger (SVP, AG) forderte: «Lasst die Kinder Kinder sein. Der Ernst des Lebens beginnt früh genug!»

Alle Parteien ausser die SVP hatten für solche Ausführungen nur ein müdes Lächeln übrig. Sie argumentierten, die Initiative erschwere die Prävention von Missbrauch. Denn die Sexualkunde schütze Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt, sexuell übertragbarer Krankheiten und unerwünschter Schwangerschaften. «Die Initiative gibt vor, die Kinder zu schützen – und erreicht genau das Gegenteil», so die Grüne Maya Graf (BL).

Sollte das Volk dereinst ein Ja in die Urne legen, dürfte ab dem Kindergarten nur noch «Unterricht zur Prävention von Kindsmissbrauch erteilt werden», aber ausdrücklich keine Sexualkunde mehr. Chantal Galladé (SP, ZH) sagte spitz: «Das ist, wie wenn Sie über Landwirtschaftssubventionen sprechen müssten, ohne Wörter wie Kuh oder Milch zu gebrauchen.»

Auslöser der Initiative ist die Plüsch-Vagina und der Holz-Penis im sogenannten «Sex-Koffer». Dieser wurde in Basler Schulen zur Aufklärung eingesetzt – und führte bei Konservativen zu einem Aufschrei.

Nun ist der Ständerat am Zug. Und dort wird das Nein ebenso deutlich ausfallen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?