Darum gehts
- Ständerat debattierte Juso-Initiative für 50 Prozent Erbschaftssteuer auf Vermögen über 50 Millionen
- Gegner warnen vor Wirtschaftsschaden und Störung der föderalistischen Ordnung
- Steuerausfälle von mehreren Hundert Millionen Franken pro Jahr erwartet
Eine nationale Besteuerung von Millionen-Erbschaften für den Klimaschutz hat im Parlament keine Chance. Auch milder formulierte Vorschläge für eine nationale Erbschaftssteuer lehnten die Räte ab, sodass die Initiative ohne Gegenvorschlag an die Urne kommt.
Der Ständerat beschloss als Zweitrat heute das Nein mit 36 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung. Der Nationalrat hatte im März seine Nein-Stimmempfehlung beschlossen. Auch er hatte einen milder formulierten Gegenvorschlag der Linken abgelehnt. Die Initiative ist damit bereit für die Schlussabstimmung am Freitag.
Negative Folgen der Initiative
Zusätzlich verlangt sie Massnahmen zur Verhinderung von Steuervermeidung, insbesondere in Bezug auf Wegzüge. Der Umstand, dass die Steuer unmittelbar nach einem Ja geschuldet würde, hatte schon vor einem Jahr lebhafte Diskussionen über Wegzüge aus der Schweiz ausgelöst.
Befürchtet wird, dass die Nachfolge in Familienbetrieben durch die hohe Steuer erschwert oder verunmöglicht würde. Die Gegnerschaft warnte zudem vor Verlusten bei Einkommens- und Vermögenssteuern, weil die neue Steuer die Reichsten vertreiben könnte. Die Initiative schade der Wirtschaft und dem Wohlstand, lautete der Tenor.
Die Initiative bewirke bereits etwas, berichtete Daniel Jositsch (60, SP). In Zürich gebe es zwar noch keine eigentliche Wegzug-Welle. Er habe aber erfahren, dass Menschen aus der Kategorie jener, die die Steuer zu zahlen hätten, nicht mehr in die Schweiz zögen.
Sommaruga mit Ja-Empfehlung, Herzog mit Gegenvorschlag
Carlo Sommaruga (65, SP) hätte sich eine Ja-Empfehlung zur Initiative gewünscht. Die Vermögen konzentrierten sich bei wenigen, sagte er, und zwar dank Erbschaften. Zudem werde immer mehr Geld vererbt. Die Reichsten produzierten zudem das meiste CO2. Sie müssten deshalb auch beim Klimaschutz in die Verantwortung genommen werden.
Eva Herzog (63, SP) beantragte erfolglos, Erbschaften und Nachlässe von natürlichen Personen mit einem Steuersatz von lediglich 5 Prozent zu besteuern. Die Schwelle für eine Besteuerung sollte zunächst bei 5 Millionen Franken liegen und regelmässig der Teuerung angepasst werden. Sie erhielt nur rot-grüne Unterstützung.
2500 Superreiche wären betroffen
Geschätzt 2500 Superreiche mit Vermögen von über 50 Millionen Franken leben in der Schweiz. Müssten sie die neue Steuer bezahlen, ergäbe das zwar einen Ertrag von 4 Milliarden Franken. Allerdings ist nach Angaben der Mehrheit und des Bundesrats damit zu rechnen, dass ein grosser Teil dieser Vermögen wegen Abwanderung abfliessen.
Der Ertrag aus der geforderten Steuer könnte deshalb nach Angaben von Finanzministerin Karin Keller-Sutter (61, FDP) auf 100 bis 600 Millionen Franken schrumpfen. Hinzu kämen weniger Erträge aus der Einkommens- und Vermögenssteuer. Unter dem Strich könnte die Initiative sogar zu weniger Steuereinnahmen führen, warnte Keller-Sutter.
Klatsche für Juso-Initiative im Ständerat
Es kommt zur Schlussabstimmung. Die Argumente der Gegnerschaft überwogen klar. So waren sogar die SP-Voten im Ständerat nicht geschlossen. Anstelle für die Initiative ihrer Jungpartei zu werben, beantragte Jositsch direkt die Ablehnung der Initiative, während Herzog einen deutlich milderen Gegenvorschlag darlegte. Nur Sommaruga verteidigte das Anliegen der Jungsozialisten.
Die Omen haben sich somit bestätigt, die Juso-Initiative folgte dem Antrag der Kommission und des Bundesrates und lehnt die Initiative mit 36 zu 7 bei einer Enthaltung deutlich ab.
Monsterdebatte abgeschlossen
Die Monsterdebatte um die Erbschaftssteuer-Initiative hat somit im Parlament ein Ende gefunden. Als nächster Schritt folgt die Volksabstimmung.
Die Empfehlung von Bundesrat und Parlament ans Volk lautet damit klar: Ablehnung. Nun gilt es Abzuwarten, wie sich die Juso im bevorstehenden Abstimmungskampf präsentieren wird und ob es der Jungpartei gelingt, genug Wählerschaft für ihr Anliegen zu mobilisieren. Die Gegenseite zu bodigen dürfte aber eine Herkulesaufgabe werden.
Gegenentwurf Herzog abgelehnt
Der Antrag von Eva Herzog mit einem Gegenentwurf zur Initiative wurde mit 34 zu 10 Stimmen vom Ständerat abgelehnt.
Finanzministerin: «Nicht mehr, sondern weniger Steuern»
Nun spricht Finanzministerin und Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61). Sie möchte nochmals den Standpunkt des Bundesrates zur Initiative darlegen.
Der Bundesrat würde die Initiative so auslegen, dass «die Steuern nicht rückwirkend angewandt werden» dürften. Zudem würde der Bundesrat die Klausel zur rückwirkende Besteuerung nach Annahme der Initiative als «staatspolitisch bedenklich» betrachten. Die Vorlage sei jedoch vollständig gültig, wie sie nochmals betont.
Keller-Sutter sieht zudem miserable steuerliche Auswirkungen. Durch einen geschätzten Abfluss des von der Steuer betroffenen Steuersubstrates von 77-93 Prozent und der Abwanderung der betroffenen Personen vor einer Erbschaft «muss damit gerechnet werden, dass insgesamt nicht mehr, sondern weniger Steuern anfallen könnten».
Jositsch verstösst gegen zwei Gebote
«Ich versuche mich an die Traditionen unseres Rates zu halten, ein Verbot muss ich aber Verstossen, dass man keine Parteien erwähnen sollte», eröffnet Daniel Jositsch (SP, 60) sein Votum. Ein guter Freund von ihm habe einmal gesagt, er wolle Armut und nicht Reichtum bekämpfen. «Ich fand diesen Satz richtig und wichtig. Das ist auch der Grund, warum ich diese Initiative ablehne.»
Als Präsident des kaufmännischen Verbandes wolle er zudem klar das Wort gegen seine Partei, beziehungsweise seine Jungpartei, die Juso, ergreifen. Auch das sei ein Verstoss gegen ein Gebot, dass er sich selbst auferlegte. Das mache er, weil die Initiative «im Kerngehalt einen Angriff auf den Arbeitsfrieden in der Schweiz» sei. Es brauche Unternehmen, die ihr Geld investieren und Arbeitsplätze schaffen.
Er doppelt zudem in seiner Rolle als Jurist und Rechtsprofessors nach. Die Initiative habe eine «ausserordentlich schädigende Wirkung». Mit der Rückwirkungsklausel wolle sie die konkrete Ausarbeitung im Parlament bei Annahme der Initiative umgehen.
GLP-Moser: «Staatspolitisch bedenklich»
«Ich werde weder die Initiative noch einen Gegenvorschlag unterstützen», macht GLP-Ständerätin Tiana Angelina Moser (46) klar. Eine Rückwirkungsklausel, «davon bin ich überzeugt», untergrabe unseren Rechtsstaat. Bereits heute stellten sich deshalb viele Unternehmer und Unternehmerinnen die Frage, ob sie nicht lieber ins Ausland abwandern. «Die Initiative ist deshalb extrem und staatspolitisch bedenklich», schliesst Moser.
Herzog (SP) für Gegenvorschlag
Eva Herzog (63, SP) macht sich für einen Gegenvorschlag stark. Der Steuersatz soll anstatt 50 Prozent lediglich 5 Prozent betragen, wobei der Freibetrag 5 Millionen Franken. «Das Kapital würde damit nicht abwandern und somit hätten wir Gelder, die wir tatsächlich fürs Klima einsetzen können.» Die Verknüpfung der Initiative an die Klimakrise hält Herzog hingegen für sehr sinnvoll.
1 Prozent besitzen fast 50 Prozent
Carlo Sommaruga (SP, 65) spricht für die Minderheit im Ständerat. Er möchte, dass die Initiative ohne Gegenvorschlag angenommen wird. Er betont, dass 1 Prozent der reichsten fast 50 Prozent des gesamten Vermögens – auch des Landes – besitzen.
«77 bis 92 Prozent würden abwandern»
Noch immer spricht Primin Bischof (66, die Mitte). Er legt nun dar, was die Annahme der Initiative in Zahlen bedeuten würde.
«Schätzungen gehen davon aus, dass 77 bis 92 Prozent der Mittel durch die Erbschaftssteuer abwandern würden.» Andere Einschätzungen würden sogar von 85 bis 98 Prozent ausgehen.
Zudem gehe man von erheblichen Mindereinnahmen bei den Einkommens- und Vermögenssteuern aus. Bischof betont zudem, dass die Schweiz – im Gegensatz zu anderen OECD Staaten – heute bereits eine Vermögenssteuer sowie eine Erbschaftssteuer kennt.
Die Initiative würde auch bedeuten, dass 1 Prozent der Bevölkerung bis zu 40 Prozent der Bundessteuern zahlen würde. Auch für unternehmerische Investitionen sieht die Kommission eine Gefahr.
Die Initiative wird deshalb zur Ablehnung empfohlen – ohne Gegenvorschlag.
Ist die Initiative überhaupt gültig?
Pirmin Bischof (66, die Mitte) berichtet zunächst über die Diskussionen in der beratenden Ständeratskommission. Dabei wurden Hearings von Rechtsexperten durchgeführt, um zu klären, ob die Initiative juristisch gesehen überhaupt gültig sei.
Dabei standen zwei Punkte im Fokus: Das sogenannte Gebot der Einheit der Materie und das Rückwirkungsverbot. Denn die Initiative fordert, dass betroffene Personen auch rückwirkend
- Einheit der Materie: Dabei geht es darum, ob die Stimmbürgerin und der Stimmbürger über eine klare Frage abstimmen oder ob zwei verschiedene Fragen betroffen sind? «Tatsächlich schlägt die Initiative zwei verschiedene Regelungen vor. Erbschaftssteuer und Verwendung der Erträge für Klimaanliegen.», sagt Bischof. Allerdings seien sich die Experten einig, dass das Gebot der Einheit der Materie nicht verletzt würde.
- Rückwirkungsvebot: Gemäss Experten handele sich um keine Rückwirkung. Die Initiative zwinge Bundesrat und Parlament, rückwirkende Regelungen zu erlassen, aber das erst nach Annahme der Initiative und nur bis zum Zeitpunkt der Annahme der Initiative. Auch das Rückwirkungsverbot ist damit nicht verletzt.
Das Fazit von Bischof: «Die Schweiz ist eine direkte Demokratie. Eine radikale direkte Demokratie. Mit Volksinitiativen kann man in unserem Land praktisch alles verlangen. In diesem Land besteht keine Angst vor dem Volk.» Er beantragt, die Initiative für gültig zu erklären.
Startschuss fast 2 Stunden später
Die Diskussionen zum vorherigen Geschäft – einem Bundesgesetz – haben sich deutlich in die Länge gezogen. Aber jetzt geht's endlich geht's los. Ständeratspräsident Andrea Caroni (FDP, 54) eröffnet die Debatte.
Ebenfalls anwesend in der kleinen Kammer ist heute Bundesratspräsidentin Karin Keller-Sutter (FDP, 61).