Papst Franziskus (80) stört sich an der Passage «Und führe uns nicht in Versuchung» im Vaterunser. «Das ist keine gute Übersetzung», befindet das katholische Kirchenoberhaupt. Franziskus führte stattdessen die neue französische Version ins Feld. «Und lass uns nicht in Versuchung geraten», heisst es nämlich seit dem ersten Advent in jeder frankofonen Messe.
Schliesslich sei es «nicht Gott, der den Menschen in die Versuchung führt, um dann zuzusehen, wie er fällt», so Franziskus. Ein Vater tue so etwas nicht, das sei Satan. Ob die Änderung auch ins Deutsche übernommen werden soll, ist umstritten. Auch weil es laut dem Matthäus-Evangelium Jesus selbst gewesen sein soll, der das Vaterunser erstmals formulierte.
In der Schweiz stösst der Vorschlag des Papstes auf offene Ohren. Bei den Reformierten wurde er gar derart positiv aufgenommen, dass eine Änderung schon bald in Sicht ist. Sowohl Kantonalkirchen wie die evangelisch-reformierte Kirche im Kanton Waadt (EERV) als auch die theologische Kommission der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) sprachen sich für die Neuübersetzung aus. Sie könnte schon zu Ostern 2018 eingeführt werden, falls alle zuständigen Gremien zustimmen.
«Führe uns in der Versuchung»
Es gehöre zum Leben, dass der Mensch in Verführung gerate, findet der Zürcher Pfarrer Andrea Bianca. «Über die besagte Stelle im Vaterunser stolpere ich ab und zu mit Betenden.» Es sei wichtig, dass Gott gerade in dieser Situation Kraft und Orientierung spende. Sprich: Er soll uns in der Versuchung führen. Bianca findet die Anpassung dieser Passage im Vaterunser deshalb eine gute Idee.
Er selbst hat dafür bereits eine Lösung gefunden. «Ich habe die Passage in ein ‹Und führe uns in der Versuchung› abgeändert.» Dies speziell, wenn er das Gebet auf Hochdeutsch mit Menschen in Not bete. Es komme aber auch vor, dass er dieses auf Schweizerdeutsch vorbete. «Im Dialekt kann man das Gebet viel lebensnaher formulieren», meint Bianca weiter.
In der katholischen Kirche ist man der Ansicht, dass eine Übersetzung mit Worten schwierig bis unmöglich sei, denn «Jesus hat Aramäisch gesprochen und gebetet. Ausserdem ist das Vaterunser in den Evangelien auf Griechisch überliefert, also wiederum in einer Übersetzung», sagt Arnold Landtwing, Informationsbeauftragter Generalvikariat Katholische Kirche im Kanton Zürich. Dennoch begrüsst er den Vorschlag. Die neue Version sei «näher am Urtext und näher am Menschen».
«Papst ist 40 Jahre zu spät»
«Über diese Passage haben wir schon vor 40 Jahren diskutiert», sagt Ina Praetorius, Theologin und Mitautorin des Buches «Vaterunser, Mutterunser». Somit komme der Papst Jahrzehnte zu spät mit dieser Änderung. «Die Passage vermittelt einen Widerspruch im Gottesbild und kann die Betenden in eine Verwirrung stürzen.»