Die Tessiner FDP setzt erstens auf eine Einerkandidatur und zweitens auf Ignazio Cassis als Kandidat. Letzteres ist nachvollziehbar: Der 56-Jährige ist als FDP-Fraktionchef im Bundeshaus ohnehin ein Schwergewicht. Er besitzt das Format als Kandidat ohne Zweifel.
Doch der andere Entscheid könnte sich noch rächen. Denn wenn die Delegiertenversammlung der FDP Tessin die Strategie am 1. August nicht noch kehrt, haben die Freisinnigen ein fatales Signal in den Rest der Schweiz geschickt.
Wenn man mit nur einem Kandidaten antritt und gleichzeitig schon das Ticket für einen Romand oder eine Romande öffnet, dann fehlt den Tessiner Freisinnigen genau eines: Den absoluten Willen, den Sitz auch wirklich ins Tessin zu holen.
Sind wir ehrlich: Nur wenn die Tessiner Freisinnigen mit mehreren Kandidaten antreten, ist auch ein Zweierticket aus dem Südkanton vor der Bundesversammlung möglich. Und nur dann ist der Sitz für das Tessin auch sicher.
Selbst Deutschweizer Freisinnige haben das erkannt und darum auch mehrere Kandidaturen aus der Sonnenstube gefordert. Wenn die Tessiner Freisinnigen jetzt auf stur schalten und die Auswahl für sich selbst reklamieren, so vergeben sie sich viel Goodwill in den anderen Landesteilen.
Und sie erweisen ihrem Top-Kandidaten Ignazio Cassis einen Bärendienst: Wer wie er so gut positioniert ist, muss sich vor Gegegenkandidaten nicht fürchten – könnte man meinen. Doch jetzt sieht es so aus, als wollten seine Parteikollegen verhindern, dass Cassis in eine richtige Ausmarchung gegen andere Tessiner kommt. Und wer einen offenen Wettbewerb scheut, hat meist die schlechteren Karten.