Das meint BLICK zur Ehe für alle
«Unwürdige Schweizer Bedächtigkeit»

Warum die Befürworter der Eheöffnung selbstbewusst und mutig sein und den Entscheid dem Volk überlassen sollten.
Publiziert: 01.07.2017 um 17:45 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:16 Uhr
Haben sie sich bloss ins «falsche» Geschlecht verliebt? Paar an der Gay Pride Zürich.
Foto: Keystone
Florian Wicki, Volontär Politik

So schnell kann es gehen, wenn man die eigenen Vorbehalte kurz beiseite schiebt und die Sache nüchtern betrachtet. Genau das hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel getan, als sie die Entscheidung über die Ehe für alle zur Gewissensfrage erklärte und so ihre Fraktion frei entscheiden liess. Über ein Jahrzehnt blockiert und nun nach einem Fernsehauftritt der Kanzlerin letzten Montag in vier Tagen durch den Bundestag gepeitscht: Zack, Bumm, die Eheöffnung kommt.

Das sollten wir uns zum Vorbild nehmen, denn auch in der Schweiz dümpelt das Anliegen weiter vor sich hin. Mitte Juni behandelte das Parlament immerhin die Frage, ob man die Behandlung des grünliberalen Vorstosses mit der Forderung nach einer Ehe für alle auf Verfassungsebene entweder um zwei Jahre verschieben oder definitiv begraben soll.

Die Mehrheit hat sich, trotz einem für 2017 bemerkenswerten Gegenwind von gut 70 Stimmen, für die Aufschiebung entschieden. Begründung: Man prüft jetzt dafür, ob die Initiative auf dem Gesetzesweg – also nur mit einem fakultativen Referendum – umsetzbar ist, und welche Gesetze geändert werden müssten.

Die gutschweizerische Bedächtigkeit in allen Ehren: Diese Strategie ist einer derart wichtigen Frage nicht würdig. Die Einführung auf Gesetzesebene würde es den Befürwortern zwar einfacher machen, denn am Ständemehr sind schliesslich schon so manch hehre Ziele gescheitert: Feige ist es trotzdem.

Es geht schliesslich um die Frage, ob es weiterhin den einen Menschen erlaubt sein soll, zu entscheiden wie andere ihrer Liebe Ausdruck verleihen dürfen. Denn darum geht es in erster Linie: Um Liebe! Wollen wir es 2017 wirklich noch hinnehmen, das Menschen die Eheschliessung untersagt wird, alleine mit der Begründung, sie hätten sich halt ins «falsche» Geschlecht verliebt? Die Antwort auf diese Frage darf nicht weniger als ein rauschender Sieg der Ehe für alle sein, mit Volks- und Ständemehr. Und genau darum braucht es eine Verfassungsänderung.

Die schleichende Einführung einer «Homo-Ehe» würde ihren Gegnern ständig neue Munition liefern. Und das muss aufhören. Der deutsche Grüne Volker Beck sagte vor der Abstimmung am Freitag: «Ein Ja zur Ehe bedeutet: Die Phase der Toleranz geht zu Ende, es beginnt die Epoche der Akzeptanz.» Und dafür ist es auch bei uns höchste Zeit.

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