Das meint BLICK
Der hohle Bluff von Christoph Blocher

Der SVP-Stratege droht mit einer Initiative gegen die Personenfreizügigkeit. Sie wäre ein grosser politischer Fehler.
Publiziert: 06.07.2016 um 20:12 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:23 Uhr
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Gibts keine Kontingente, gibts die Kündigungsinitiative: SVP-Stratege Christoph Blocher.
Foto: Valeriano Di Domenico
Christoph Lenz

«Du siehst, wie launisch ihn das Alter macht.» Das sagt Goneril, die älteste Tochter von König Lear, zu ihrer Schwester Regan. Bald darauf fällt König Lear in Shakespeares Tragödie dem Wahnsinn anheim. 

Auch Christoph Blocher wird mit dem Alter launisch. Nach der Schlappe mit der Durchsetzungsinitiative warnte der SVP-Chefstratege im März: «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überall, wo etwas unbefriedigend ist, eine Volksinitiative machen.»

Seither hat Blocher höchstpersönlich zwei neue Initiativen angekündigt. Eine, um den Bundesparlamentariern den Lohn zu stutzen. Dieses Wochenende weihte er die Schweiz in seine Pläne ein, ein Volksbegehren zur Kündigung der Personenfreizügigkeit zu lancieren.

Natürlich, vorerst ist es bloss eine Drohgebärde. Blocher kämpft für eine harte Umsetzung des Zuwanderungsartikels. Er will das zögernde Parlament einschüchtern: Gibts keine Kontingente, gibts die Kündigungsinitiative. Punkt. 

Das Problem: Seine Drohung ist leer. Aus drei Gründen. Erstens ist die Kündigungsinitiative parteiintern umstritten, wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich aufzeigte. Nationalrätin Barbara Steinemann (ZH), keineswegs im moderaten SVP-Flügel anzusiedeln, bezeichnete Blochers Pläne als «Säbelrasseln». Sie bezweifle, dass es taktisch geschickt wäre, diese Initiative zu lancieren. 

Zweitens müsste die EU eine Kündigung der Personenfreizügigkeit als feindseligen Akt auffassen, der eine Auflösung des gesamten bilateralen Vertragspakets I nach sich zöge. Das Stimmvolk, das Umfragen zufolge an geordneten Verhältnissen mit der EU interessiert ist, würde sich auf eine solche Eskalation kaum einlassen.

Drittens würde selbst eine Kündigung der Personenfreizügigkeit die Zuwanderung nicht auf das von der SVP gewünschte Mass von 20'000 bis 40'000 Personen senken. Die Konjunkturforschungsstelle KOF hat untersucht, wie sich das EU-Abkommen auf die Einwanderung in die Schweiz ausgewirkt hat. Gemäss der Studie beträgt der isolierte Effekt netto 10'000 bis 15'000 zusätzliche Zuwanderer pro Jahr. Gemessen an der gesamten Netto-Zuwanderung, die zuletzt zwischen 70'000 bis 80'000 Personen pro Jahr betrug, ein bescheidener Wert. 

Sollte Blocher die Kündigungsinitiative trotzdem lancieren, wäre dies weit mehr als bloss ein Ausdruck des immer launischer werdenden Temperaments des Jahrhundertpolitikers. Es wäre ein grosser politischer Fehler.

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