Der Ostschweizer Kanton muss die Rückverfolgung der Corona-Fälle bereits wieder neu organisieren. Die Lungenliga St.Gallen-Appenzell hatte nicht genug Schnuf fürs Contact-Tracing. Obwohl die Fälle auch im Osten der Schweiz nicht explodiert sind, gibt die Lungenliga das Tracing ab.
Fachleute hatten früh gewarnt, dass nicht alle Kantone gut auf die Rückverfolgung vorbereitet seien – darunter St.Gallen. Dabei war die Gewährleistung eines lückenlosen Tracings Voraussetzung dafür, dass der Lockdown schrittweise rückgängig gemacht werden konnte. Und dass die aussserordentliche Lage wieder aufgehoben wurde, wodurch viele Kompetenzen zurück an die Kantone gingen.
Manch ein Kanton überfordert
Die alte Kompetenzhoheit wieder herzustellen, darauf hatten nicht zuletzt die Kantone immer wieder gepocht. Doch mit der neuen Verantwortung scheint manch Kanton überfordert.
Die Lungenliga St.Gallen-Appenzell hatte das Contact-Tracing laut «St. Galler Tagblatt» erst Anfang Juli übernommen. Sie sei aber rasch an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt, heisst es. Es fragt sich nun, ob die Behörden diese Überforderung nicht hätten vorhersehen müssen.
Wie Seiten des Bundes war stets zu hören, dass die Fallzahlen in der «neuen Normalität» wieder merklich ansteigen würden. Und verwunderlich war auch nicht, dass einzelne Patienten sehr viele Kontakte haben dürften, die dann alle zurückverfolgt werden müssen.
Laut Bruno Eberle, Geschäftsleiter der Lungenliga St. Gallen-Appenzell, waren es in der Ostschweiz «manchmal über 60 pro Patient», die man kontaktieren musste, wie er dem «St.Galler Tagblatt» sagte. Die lediglich fünf Mitarbeiter, die die Ostschweizer einsetzten, reichten nicht zur Bewältigung des Arbeitsaufkommens.
Muss der Zivilschutz einspringen?
Nun ist wieder der kantonale Führungsstab St.Gallens fürs die Rückverfolgung verantwortlich. Er setzt zehn Freiwillige ein, die laut Bericht derzeit 46 Krankheitsfälle und 249 Kontakte betreuen.
Sollten die Fälle in der Ostschweiz aber plötzlich sprunghaft ansteigen, will St. Gallen Zivilschützer zur kurzfristigen Überbrückung aufbieten. Sollte längerfristig mehr Personal fürs Tracing benötigt werden, könnten allenfalls Zivildienstleistende einspringen, die während mehrerer Monate im Einsatz wären.
Thurgau stockt auf
Das Contact Tracing wieder dem Kanton überlassen, ist bei Nachbar Thurgau kein Thema. «Wir kommen noch nach», sagt Hugo Bossi von der Lungenliga Thurgau zu BLICK. Doch auch sie haben den Personalbestand aufgestockt. «Momentan können wir auf sieben Contact Tracer zurückgreifen. Es sind aber nicht alle ständig im Einsatz.» Und ab Donnerstag steigt die Kapazität. «Wir haben nochmals sieben Leute zusätzlich ausgebildet, weil auch bei uns die Zahlen Ende Juni angestiegen sind.» Auch im Kanton Thurgau gibt es die Möglichkeit, den Zivilschutz einzusetzen, wenn die Zahlen wieder stark ansteigen.
Im Kanton St. Gallen heisst es, man müsse teilweise bis zu 60 Leute pro Patient kontaktieren. Bossi kann keine genaue Zahl nennen, sagt aber: «Im Kanton Thurgau sind es bislang sicher weniger.»
Contact Tracing in zehn Kantonen
Der Kanton St. Gallen sei ein Einzelfall, sagt Jean-Marie Egger von der Lungenliga Schweiz. In 10 Kantonen übernimmt die Lungenliga zurzeit das Contact Tracing. «Natürlich sagen einige Kantone, dass es viel zu tun gibt. Im Moment ist die Arbeit jedoch grösstenteils zu bewältigen.» Egger erinnert daran, dass die Steuerung des Contact Tracing die kantonsärztlichen Dienste übernehmen. «Deshalb ist es wichtig, bereits frühzeitig mit der Planung zu beginnen. Die St. Galler Lungenliga hat ihr Möglichstes getan.»
Bei den Kantonen gäbe es grosse Unterschiede. «Wo Hotspots auftauchen, wird die Arbeit der Contact Tracer aufwändiger. Im Appenzell Innerrhoden gibt es hingegen zum Beispiel keinen einzigen Fall». Mehr als 120 Personen würden derzeit für die Lungenliga das Contact Tracing betreiben. «Grösstenteils sind diese im Teilzeitpensum angestellt», so Egger. Dazu bekommt die Lungenliga teilweise auch Unterstützung. «Im Kanton Luzern helfen zum Beispiel Zivildienstleistende.» (pt/brb)