Die Frühlingssession der eidgenössischen Räte ist vorbei, im Bundeshaus sollte nun Ruhe einkehren. Stattdessen rumort es gewaltig.
Unter den 300 Angestellten, die den Parlamentsbetrieb am Laufen halten, ist die Stimmung mies wie nie. Misstrauen und Frustration bestimmen den Arbeitsalltag links und rechts der Wandelhalle. Von einem «Klima der Angst» ist die Rede.
«Feldweibel» in «Reformwut»
Schuld daran sei Philippe Schwab (54), Generalsekretär der Bundesversammlung. Seit dem 1. Juli 2013 ist der Romand oberster Herr über die Parlamentsverwaltung. Und «Herr» treffe es genau, sagen mehrere Mitarbeiter. Schwab sei «unglaublich autoritär» und führe den Betrieb wie ein «Feldweibel». Respekt und Teamgeist spüre man nicht. Stattdessen gebe Schwab von oben den Tarif durch.
Und er bringe in seiner «Reformwut» gut einspielte Prozesse durcheinander. So hat Schwab bestimmt, dass frei werdende Stellen von Kommissionssekretären – bei denen die Fäden der parlamentarischen Arbeit zusammenlaufen – nicht mehr durch deren Stellvertreter besetzt werden dürfen. Stattdessen müssen sich andere Kommissionssekretäre auf diese Stellen bewerben. Dieses Rotationssystem hat gravierende Nachteile: Jahrelang angeeignetes Fachwissen geht verloren. Und die umplatzierten Sekretäre müssen sich monatelang in ihr neues Arbeitsfeld einarbeiten.
Chef der Bibliothek freigestellt
Doch das ist nicht alles: Unlängst stellte Schwab den Chef der Parlamentsbibliothek frei. Sein «Vergehen»: Er soll gegen seine Mitarbeiterbeurteilung protestiert haben. Kein Einzelfall, wie BLICK weiss: Es laufen mehrere personalrechtliche Verfahren. Auch Kündigungen häufen sich. Natürlich gehen die besten Leute. «Die Geschäftsleitung hat Mühe mit kompetenten Mitarbeitern», sagt einer, der auf dem Absprung ist.
Niemand stelle sich Schwab in den Weg – auch nicht die sechs weiteren Mitglieder der Geschäftsleitung. «Kein Wunder, Schwab ist total kritikunfähig», sagt eine Mitarbeiterin.
«Alle haben Angst»
Die Parlamentsangestellten – von der Reinigungskraft bis hin zur Weibelin – leiden nicht nur unter dem schlechten Klima. Sie sagen, es schlage sich auf die Arbeitsqualität nieder. «Alles wird immer schneller, wir stecken mitten in der Digitalisierung», klagt ein Mitarbeiter, der wie alle anderen anonym bleiben will. «Statt all diese Herausforderungen anzugehen, herrscht bleierne Schwere. Alle haben Angst, Fehler zu machen.»
Nach Monaten sind die Klagen der Mitarbeiter nun auch bei Parlamentariern angekommen. CVP-Präsident Gerhard Pfister (55) hat einen Vorstoss eingereicht, der von Nationalratspräsident Dominique de Buman (61) wissen will, was er zu unternehmen gedenke. Diese Personalpolitik führe zu einem Verlust von Ressourcen – was das Parlament «gegenüber der ohnehin schon übermächtigen Verwaltung» schwäche.
Schwab: Es braucht eine klare Führung
Schwab wiegelt ab: Der Leiter der Parlamentsbibliothek habe beschlossen, das Parlament zu verlassen, um eine neue berufliche Herausforderung anzunehmen. «Abgesehen von diesen Informationen kommentieren wir aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Einzelfälle.»
Alle anderen Misstöne erklärt er mit notwendigen Veränderungen in den Arbeitsprozessen und Umstrukturierungen in einem schwierigen Haushaltskontext. «Das erfordert auch eine klare Führung.»
Statt sich als «Herrscher über die Parlamentsverwaltung» aufzuspielen, brauche es aber eine Leitung, die auf verantwortungsvolle Mitarbeiter setze und in welcher Fehler akzeptiert werden, um aus diesen Lehren zu ziehen, sagt ein Parlamentsangestellter.