Bundesratsdeal zwischen SVP und SP
Darum will Aeschi Sommaruga loswerden

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (43) macht der SP ein Versprechen – sofern Simonetta Sommaruga (61) ihren Bundesratssitz räumt. Die SP winkt ab. Wenn, dann wird es aber beim Cassis-Sitz spannend.
Publiziert: 03.04.2022 um 16:24 Uhr
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Aktualisiert: 03.04.2022 um 17:43 Uhr
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SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi will Bundesrätin Simonetta Sommaruga loswerden.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Wenn die SVP gegen die SP schiesst, punktet sie bei der eigenen Wählerschaft – und umgekehrt. Besonders beliebt machen sich die Parteivorderen bei ihrer jeweiligen Basis, wenn sie Spitzen gegen die Bundesräte der jeweils anderen Polpartei absenden. Das lenkt auch von den Problemen ab, die beide Parteien derzeit bei den Wahlen in den Kantonen haben.

Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (43) in der «SonntagsZeitung» über SP-Energieministerin Simonetta Sommaruga (61) schimpft und ihren raschen Rücktritt fordert: Sommaruga habe die Abstimmungen über das CO2-Gesetz und das Mediengesetz verloren, und bei der Energieversorgungssicherheit fehle ihr eine Strategie. «Sie ist angeschlagen», so Aeschi. «Es ist Zeit für einen Wechsel.»

Absicherung der Sitze

Die Aussage macht Aeschi wohlwissend, dass das Stimmvolk auch den Gripen-Kampfjet seines eigenen Bundesrats Ueli Maurer (71) vom Himmel holte und jüngst dessen Abschaffung der Stempelsteuer eine klare Abfuhr erteilte. Dennoch findet der Fraktionspräsident, es sei für die zehn Jahre jüngere Sommaruga eher als für Maurer richtig, vor den Parlamentswahlen im Herbst 2023 zu gehen.

Aeschi geht im Sonntagsblatt davon aus, «dass in der SP-Parteileitung intensive Gespräche über die Absicherung ihrer Bundesratssitze geführt werden» – was nicht weiter verwunderlich ist, weil dies in allen Bundesratsparteien geschieht.

SVP steht zur Konkordanz

Meistens ist die Diskussion jedoch verbunden mit der Hoffnung, das eigene Bundesratsmitglied komme gerade nicht auf die Idee, seinen Rücktritt vor den oder auf die nächsten Gesamterneuerungswahlen anzukündigen. Bei einer Vakanz ist das Risiko nämlich dann am grössten, diesen Sitz zu verlieren – vor allem, wenn es um eine Partei geht, die zuvor Wähleranteile eingebüsst hat.

Darum ist Aeschis Vermutung originell, «dass die SP noch in diesem Jahr Bundesrätin Sommaruga durch eine jüngere Person ersetzen will», um den SP-Sitz für die nächsten zwölf Jahre abzusichern.

Aeschi macht in der «SonntagsZeitung» den Genossen dennoch das Angebot, die SVP würde bei einer solchen Konstellation die SP-Ersatzkandidatur unterstützen: «Die SVP steht zur Konkordanz, dass die drei grössten Parteien je zwei Sitze und die viertgrösste Partei einen Sitz im Bundesrat zugute haben.»

Rücktritt steht nicht zur Debatte

Der SP-Fraktionschef Roger Nordmann (49) erteilt dem Ganzen eine Absage. Der Rücktritt seiner Bundesrätin stehe nicht zur Debatte. Wieso denn auch, wird er sich fragen? Aeschi macht mit seiner Aussage nämlich deutlich, dass seine Partei – wie auch die anderen Fraktionen – kein amtierendes Bundesratsmitglied abwählt.

Hinzu kommt, dass die Bundesräte in der Reihenfolge ihres Dienstalters gewählt werden. Treten bei den Erneuerungswahlen alle wieder an, wird Sommaruga nach Maurer im Amt bestätigt. Darauf folgt Alain Berset (49). Dann ist SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) an der Reihe.

Dann kommt der Freisinn dran: Sollte die FDP bei den Wahlen im Oktober 2023 hinter die Mitte-Partei zurückfallen, könnte es für FDP-Bundespräsident Ignazio Cassis (60) eng werden. Schliesslich ist die Verärgerung darüber gross, dass sich der Tessiner in die Geschäfte der anderen Bundesräte einmischt. Dass er beispielsweise mit Frankreich über den Kauf des Rafale-Kampfjets verhandelte, obwohl klar war, dass sich die Schweiz für den F-35 der Amerikaner entscheiden würde, kam nicht gut an. Auch nicht, dass Cassis hinter dem Rücken des Bundesrats Kanada dazu bewegte, eine Anfrage für eine Überflugsbewilligung für Waffenlieferungen nach Italien zurückzuziehen – und so einen Bundesratsentscheid verunmöglichte.

Cassis-Wahl wird spannend

Wenn also mit der Wiederwahl von Cassis die Wahl des fünften Bundesratsmitglieds ansteht, wäre es am einfachsten, die von Aeschi angesprochene Zauberformel zu sprengen – und den Grünen einen Sitz zu geben. Denn nach einer Abwahl von Cassis stünde die Bestätigung der Mitte-Bundesrätin Viola Amherd (59) an. Selbst bei grossem Ärger über die Nicht-Wahl des Tessiners dürften höchstens die SVP und nur ein paar wenige erboste FDP-Vertreter gegen Amherd votieren.

Dies, weil es bei der siebten und letzten Wahl der FDP nur darum ginge, wenigstens noch den Sitz von Karin Keller-Sutter (58) ins Trockene zu bringen. Also würde sie zwar die Faust im Sack wegen der Cassis-Abwahl machen, Amherd aber dennoch im Amt bestätigen.

GLP muss warten

Viel wahrscheinlicher aber ist, dass sich an der heutigen Zusammensetzung des Bundesrats rein gar nichts ändert. Dass also auch die Hoffnungen der Grünliberalen nicht in Erfüllung gehen: Wenn sich die Wahlprognosen bewahrheiten und die GLP sowie die Grünen zulegen, erheben die Grünliberalen laut Parteichef Jürg Grossen (52) nämlich Anspruch auf einen Bundesratssitz, wie er der «SonntagsZeitung» sagte. Die Grünliberalen fordern, dass dann nur noch die SVP zwei und die bisherigen Parteien, aber auch die Grünen und die GLP, je einen Sitz bekommen.

Doch wie Aeschis Aussage zu Sommaruga dürfte auch jene von Grossen weniger von der Realität geleitet, als vielmehr vom Wunsch beseelt sein, der eigenen Basis zu gefallen.

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