Eine neue, nationale Steuer auf Millionen-Erbschaften und -Schenkungen könnte unter dem Strich nicht mehr Einnahmen bringen, sondern die Steuereinnahmen drücken, weil sehr vermögende Personen die Schweiz meiden würden. Bundesrat und Kantone empfehlen deshalb ein Nein zur Juso-Zukunftsinitiative.
Die Juso fordern mit ihrer Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» eine Besteuerung von 50 Prozent auf Nachlässen und Schenkungen von Einzelpersonen von mehr als 50 Millionen Franken. Die ersten 50 Millionen wären dabei steuerfrei.
Bund und Kantone müssten diese Einnahmen für die Bekämpfung der Klimaerwärmung verwenden. Die Kantone dürften dabei die heute erhobenen Erbschaftssteuern beibehalten. Über die Initiative für eine Zukunft abgestimmt wird am 30. November. Bundesrat und Parlament empfehlen, ein Nein einzulegen.
Die Attraktivität der Schweiz würde mit der Steuer stark reduziert für Vermögende, sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Montag in Bern vor den Medien. Die Eidgenössische Steuerverwaltung schätze, dass rund 2500 Steuerpflichtige betroffen wären und das Potenzial der neuen Steuer bei über 4 Milliarden Franken läge.
Aber Verhaltenspassungen seien da noch nicht eingerechnet, warnte sie. Denn die Steuerverwaltung rechne auch mit einer ausserordentlich starken Abwanderung. Diese senke den potenziellen Ertrag und führe zu substanziellen Verlusten bei Einkommens- und Vermögenssteuern.
Die Vermögendsten und Einkommensstärksten bezahlten bereits heute einen hohen Anteil der Steuereinnahmen, hielt Keller-Sutter fest. Das oberste Prozent komme für rund 40 Prozent dieser Einnahmen auf. «Unter dem Strich könnte es deshalb sogar zu Steuerausfällen kommen.»
Die Initiative hatte im Sommer vor einem Jahr Unsicherheiten ausgelöst, weil sie Massnahmen gegen die Vermeidung der neuen Steuer verlangt. Diese könnten nach einem Ja erst greifen, wenn das Gesetz zur Umsetzung der Initiative in Kraft trete, stellte Keller-Sutter klar. Eine Wegzugssteuer sei für den Bundesrat keine Option.
Der Bundesrat verweist weiter auf die heutige Klimapolitik und die Verpflichtung der Schweiz zum Netto-Null-Ziel 2050. Der Bund stelle pro Jahr zwei Milliarden Franken an Fördergeldern bereit, sagte Keller-Sutter. Auch über rechtliche Grundlagen für den Klimaschutz verfüge die Schweiz.
Störend an der neuen Steuer ist für den Bundesrat zudem, dass bezahlen müsse, wer viel erbt und nicht, wer eine Verschmutzung verursacht, wie Keller-Sutter ausführte. Die mit der Initiative geforderte Steuer setze keine Anreize für klimafreundliches Verhalten.
Die Finanzministerin kritisierte weiter die strikte Zweckbindung der verlangten Steuer, die den Handlungsspielraum für Bund und Kantone einschränke. Es bestehe auch das Risiko, dass Projekte ohne echten Mehrwert finanziert würden. Oder es gäbe einen Mitnahmeeffekt, indem ohnehin geplante Vorhaben realisiert würden.
Auch eine Schwächung des Föderalismus machte sie geltend. Alle Kantone ausser Schwyz und Obwalden hätten eine Erbschaftssteuer, und 23 Kantone erhöben auch eine Schenkungssteuer. Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) lehnt die Initiative einstimmig ab.
«Einnahmen- und Schenkungssteuern sind heute in der Kompetenz der Kantone», betonte KdK-Präsident Markus Dieth (AG). Sie würden das soziale und wirtschaftliche Umfeld kennen und seien in der Lage, eine angemessene Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen festzulegen.
«Die Erträge sind moderat, aber nicht unerheblich», sagte Dieth. In den letzten Jahren hätten Erbschafts- und Schenkungssteuern den Kantonen und Gemeinden Einnahmen von rund 1,4 Milliarden Franken gebracht. Wie der Bund befürchten auch die Kantone, dass die neue Steuer die Steuereinnahmen insgesamt drücken könnte.
Vermögen lägen zudem häufig nicht auf Bankkonten, sondern seien in Unternehmen investiert. Allenfalls müssten Unternehmen oder Teile davon veräussert werden, um die Steuer zu bezahlen. «Da stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel», sagte Dieth.
Medienkonferenz beendet
Die Medienkonferenz ist nun beendet. Eine Zusammenfassung erscheint in Kürze.
Schweiz bereits aktiv in der Klimapolitik
Letzter Punkt: Die Schweiz betreibe bereits eine aktive Klimapolitik. Die Schweiz habe das Pariser Übereinkommen unterzeichnet und sich zur Halbierung der Emissionen bis 2030 und dem Netto Null Ziel verpflichtet. Es würden bereits Grundlagen mit zahlreichen Fördermassnahmen zur Verfügung stehen. Das Kernanliegen der Initiative, sei damit erfüllt, so Keller-Sutter.
Verursacherprinzip sei nicht berücksichtigt
Die Initiative trage zudem dem Verursacherprinzip keine Rechnung. Nicht die, die am meisten Klimagase zahlen, sondern die, die viel erben. Die Initiative schaffe also keine Anreize für ein klimafreundliches Verhalten.
Die strikte Zweckbindung berge erhöhte Risiken
Der dritte Punkt betreffe die strikte Zweckbindung des Steuerertrags. «Man spricht eigentlich sehr wenig darüber», so Keller-Sutter. Bei der Klimapolitik berge die Zweckbindung erhöhte Risiken. Der Staat würde Geld für Fördermassnahmen ausgeben, nur weil es das Geld hätte und es ausgegeben werden müsste, anstatt dass zuerst nötige und wirksame Klimaschutzmassnahmen definiert würden.
Zweiter Punkt: «Die Initiative schwächt den Föderalismus»
Nun geht es zum zweiten Punkt: «Die Initiative schwächt den Föderalismus», so Keller-Sutter. Ausser Schwyz und Obwalden erheben alle Kantone eine Erbschaftssteuer und 23 Kantone zudem eine Steuer auf Schenkungen.
Das Potenzial der Kantone, Erbschaften über 50 Millionen zu besteuern, würde stark geschmälert. Ausserdem würden die Kantone einen Teil der Finanzautonomie verlieren, da sie die Mittel für die Klimapolitik einsetzen müssten, und nicht für ihr Dafürhalten.
Bundesrat befürchtet Steuerausfälle
«In den Diskussionen um Erbschaftssteuern geht manchmal vergessen, dass die vermögendsten und einkommensstärksten Steuerpflichtigen bereits heute einen sehr bedeutenden Beitrag an Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden leisten», sagt Keller-Sutter. Zusätzliche Einnahmen würde man also bei Einkommens- und Vermögenssteuern wieder verlieren. Deshalb könne es sogar zu Steuerausfällen kommen.
2500 Steuerpflichtige betroffen
Keller-Sutter fokussiert sich auf vier Punkte, weshalb der Bundesrat die Ablehnung der Initiative empfiehlt. Der erste Punkt: Die Initiative würde die Attraktivität der Schweiz für vermögende Personen stark reduzieren und könnte dadurch zu Mindereinnahmen führen.
2500 Steuerpflichtige verfügen in der Schweiz über ein Vermögen über 50 Millionen Franken. Insgesamt würden sich ihre Vermögen auf 500 Milliarden Franken belaufen. Theoretisch würde die Erbschaftssteuer so über 4 Milliarden Franken einnehmen. Diese Annahme lasse jedoch Verhaltensanpassungen der Betroffenen ausser acht, argumentiert Keller-Sutter.
Wegzug von Superreichen
Bereits heute gebe es Erbschaftssteuern in gewissen Kantonen, sagt Dieth. Eine Steuer auf Bundesebene würde die Kantone konkurrenzieren. «Die Kantone befürchten, dass die Initiative zu erheblichen Steuerausfällen führen», so Dieth. Neuzuzüge könnten zurückgehen. Superreiche könnten wegziehen. Bis zu 2,8 Milliarden Franken Ausfälle könnten so bei den Kantonen entstehen.
Familienfirmen betroffen
Auch Markus Dieth, Aargauer Finanzdirektor und Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen, warnt: Arbeitsplätze seien gefährdet. Die neue Erbschaftssteuer würde bei Familienunternehmen Mittel entziehen, die dann fehlen würden. Dies könnte zum Verkauf der Firma führen, «um die Steuerschulden zu bezahlen».
«Wegzugssteuer wäre verfassungsrechtlich keine Option»
“Eine Wegzugssteuer wäre verfassungsrechtlich keine Option”, so Keller-Sutter. Das habe der Bundesrat bereits festgehalten hat.
Die neue Bundessteuer auf Erbschaften und Schenkungen hingegen würde unmittelbar mit der Annahme der Initiative wirksam.