Bundesrat soll handeln
Politiker wollen strengere Regeln für Maskendispens

Ärztinnen und Ärzte, die falsche Maskendispense ausstellen, beschäftigen auch Bundesbern. Nationalrätinnen und Nationalräte wollen prüfen, ob man dem Missbrauch mit strengeren Regeln Einhalt gebieten kann.
Publiziert: 10.01.2021 um 11:07 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2021 um 15:48 Uhr
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SVP-Nationalrätin Verena Herzog will strengere Regeln für ärztliche Atteste wie Maskendispense und Arztzeugnisse.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Adresse, Geburtsdatum und ein 20er-Nötli reichen – und wenig später liegt der Maskendispens im Briefkasten. Eine Ärztin aus der Stadt Bern half Corona-Skeptikern beim Umgehen der Maskenpflicht, indem sie ohne vorgängige Konsultation medizinische Atteste ausstellte.

Fälle wie jener der Berner Psychiaterin und Psychotherapeutin sind in den vergangenen Monaten mehrere aufgeflogen. Einige Therapeutinnen und Ärzte warben in einschlägigen Gruppen des Messengerdienstes Telegram sogar selbst für ihren Service. In den Fällen, die medial bekannt wurden, hatten die kantonalen Behörden bis dahin keine Ahnung vom Treiben der Mediziner, über die sie die Aufsicht haben.

Härtere Hand gegen «schwarze Schafe»

Nun schaltet sich die Politik ein. Der Bundesrat hat zwar bereits vor, die Regeln für Maskendispense zu verschärfen. So sollen künftig nur noch Ärzte und Psychotherapeuten Maskendispense ausstellen dürfen.

SVP-Nationalrätin Verena Herzog (64) sieht aber weiteren Handlungsbedarf. Die Thurgauerin fordert den Bundesrat nun auf, Abklärungen zu treffen. In einem Bericht soll er aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, um härter gegen Ärztinnen und Ärzte vorzugehen, die ihren Titel für falsche Atteste missbrauchen. Es geht dabei nicht nur um Maskendispense. Sondern auch um Arztzeugnisse, die Ärzte ausstellen, obwohl die Person eigentlich arbeiten könnte.

Gefälligkeitsgutachten sind zwar standesrechtlich ausdrücklich verboten. Ärztinnen und Ärzten können deswegen aus dem Berufsverband FMH ausgeschlossen werden. Und auch strafrechtlich kann gegen Medizinerinnen und Mediziner vorgegangen werden, die gegen die Berufspflichten verstossen. Die Kantone können Verwarnungen, Bussen oder sogar ein Berufsverbot verhängen. In der Realität sei es aber schwierig bis unmöglich, solche Verstösse zu ahnden, sagt SVP-Politikerin Herzog. Nun brauche es eine nationale Lösung für das Problem.

«Betrug an der Gesellschaft»

Auch andere bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier finden, dass etwas unternommen werden muss. Neben SVPlern haben die FDP-Nationalräte Isabelle Moret (50) und Hans-Peter Portmann (57) sowie CVP-Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel (63) Herzogs Vorstoss unterzeichnet.

Gefälligkeitszeugnisse seinen «ein Betrug an der Gesellschaft» und schadeten der Allgemeinheit, sagt Humbel. Man müsse nun ein klares Signal senden, dass das nicht gehe. Sie wie auch Herzog betonen, dass es einzelne «schwarze Schafe» sind, die sich nicht an die Regeln halten. «Doch sie schaden der ganzen Ärzteschaft», so Herzog. Gleich ist es bei den Patientinnen und Patienten. Je mehr Missbrauch es gibt, desto grösser das Misstrauen gegenüber denjenigen, die tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen können oder krank sind.

Hausdurchsuchung wegen Masken-Atteste

Am 3. Dezember klingelte es frühmorgens bei Andreas G. (65) in Morgarten ZG. Die Polizei führte eine Hausdurchsuchung beim diplomierten Ingenieur und selbst ernannten Heiler durch.

Via seiner Website maskentest.ch hatte er Zeugnisse gegen die Maskentragepflicht ausgestellt. «Haufenweise» habe er für 50 Franken pro Attest solche Dispense verkauft, hielt der Mann auf der Website fest. Die Erlöse habe er direkt in seinen Verein «5G-Frei» gesteckt, der sich gegen den Bau von Mobilfunkantennen wehrt, so der Heiler. Dies berichtete die «Sonntagszeitung».

Gegenüber dieser bestätigte die Staatsanwaltschaft Zug auch, dass sie gegen den 65-Jährigen eine Strafuntersuchung eingeleitet hat, wegen des Verdachts auf Übertretung des Gesundheitsgesetzes, Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen, Verdacht auf Widerhandlung gegen das Gesetz auf unlauteren Wettbewerb und auf Betrug. (pt)

Am 3. Dezember klingelte es frühmorgens bei Andreas G. (65) in Morgarten ZG. Die Polizei führte eine Hausdurchsuchung beim diplomierten Ingenieur und selbst ernannten Heiler durch.

Via seiner Website maskentest.ch hatte er Zeugnisse gegen die Maskentragepflicht ausgestellt. «Haufenweise» habe er für 50 Franken pro Attest solche Dispense verkauft, hielt der Mann auf der Website fest. Die Erlöse habe er direkt in seinen Verein «5G-Frei» gesteckt, der sich gegen den Bau von Mobilfunkantennen wehrt, so der Heiler. Dies berichtete die «Sonntagszeitung».

Gegenüber dieser bestätigte die Staatsanwaltschaft Zug auch, dass sie gegen den 65-Jährigen eine Strafuntersuchung eingeleitet hat, wegen des Verdachts auf Übertretung des Gesundheitsgesetzes, Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen, Verdacht auf Widerhandlung gegen das Gesetz auf unlauteren Wettbewerb und auf Betrug. (pt)

Herzog sieht Missbrauchspotenzial

Auch der Berufsverband FMH fordert darum, dass die gesetzlichen Vorschriften «konsequent angewandt und vermutete Verstösse rigoros überprüft werden». In der Pflicht sieht der Verband allerdings vor allem die Kantone. Man wünsche sich «ein konsequentes und entschlossenes Vorgehen der Aufsichtsbehörde, also der jeweiligen kantonalen Gesundheitsdirektion», sagt FMH-Sprecherin Charlotte Schweizer.

Aus Sicht der bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentarier hingegen ist es an der Zeit, auch über nationale Vorgaben nachzudenken. Herzog regt zum Beispiel an, gesetzliche Vorschriften für Arztzeugnisse festzulegen. Diese gibt es bis jetzt nicht. Ärzte dürfen auch ein Attest ausstellen, wenn sie den Patienten gar nie gesehen haben. Der Bundesrat sieht in der Möglichkeit, Atteste via Telefon einzuholen, ein «beachtliches Sparpotenzial», wie er in einem Bericht festhält. Herzog hingegen auch ein beachtliches Potenzial für Missbrauch.

3000 Franken Busse für Ärztin

Bei der Berner Ärztin, welche Corona-Skeptiker mit Maskendispensen versorgt, brauchte man sogar bloss ein Mail zu schreiben. Nachdem der Fall publik wurde, hat der Kanton ein Verfahren gegen die Therapeutin eingeleitet.

Auf Nachfrage teilt die Gesundheitsdirektion nun mit, dass man eine Busse von 3000 Franken gegen eine Ärztin verhängt habe. Auch wenn es die Gesundheitsdirektion nicht offiziell bestätigt, handelt es sich mit aller Wahrscheinlichkeit um die besagte Frau.

Auch im Kanton Luzern stehen zwei Ärzte wegen zweifelhafter Massendispense im Visier der Behörden. Weil die Verfahren noch laufen, gibt der Kanton keine weiteren Informationen. Bei einem der beiden handelt es sich um Allgemeinmediziner und Corona-Skeptiker A. H. aus Ebikon. Ihm drohen nicht nur wegen der Maskendispense Konsequenzen, sondern auch, weil er es war, der jüngst – noch vor der Leichenschau – die Meldung verbreitet hatte, dass ein 91-Jähriger in einem Altersheim wenige Tage nach der Corona-Impfung verstorben sei.

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