Heiratsstrafe vor Bundesgericht
Darf das Volk nochmals abstimmen?

Heute entscheidet das Bundesgericht in Lausanne, ob über die Besteuerung von Ehepaaren noch einmal abgestimmt wird. Anlass dazu sind die Unregelmässigkeiten vor der Abstimmung 2016 über die Initiative der CVP für die Abschaffung der Heiratsstrafe.
Publiziert: 10.04.2019 um 05:49 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2019 um 07:43 Uhr
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Das Bundesgericht hat entschieden, dass das Volk nochmals über die Abschaffung der Heiratsstrafe abstimmen soll.
Foto: Keystone

Heissen die höchsten Richter die Beschwerde der CVP gut, würde dies zur Annullierung des Abstimmung von vor gut drei Jahren führen. Es wäre das erste Mal seit der Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848.

Am 28. Februar 2016 wurde die Initiative mit dem Titel «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» abgelehnt. 16 Kantone und ein halber sagten zwar Ja, doch scheiterte die Initiative am Volksmehr – 50,8 Prozent der Stimmenden sagten Nein.

Bundesrat hatte sich verrechnet

Die CVP wollte in die Verfassung schreiben, dass verheiratete Ehepaare nicht bestraft werden dürften gegenüber Paaren mit anderer Lebensform, namentlich bei der Besteuerung und bei den Sozialversicherungen.

Der Bundesrat empfahl das Begehren zur Ablehnung. Im Abstimmungsbüchlein schätzte er, dass rund 80'000 Doppelverdiener-Paare sowie rund 250'000 Rentner-Ehepaare von der so genanten Heiratsstrafe betroffen seien.

Im Juni 2018 korrigierte die Regierung dann die Zahlen und räumte einen gewaltigen Irrtum ein. Nicht 80'000 Zweiverdiener-Ehepaare waren demnach von der Heiratsstrafe betroffen, sondern 454'000. Die Zahl der durch eine Heiratsstrafe diskriminierten Ehepaare betrug nach der Korrektur 704'000 (BLICK berichtete)

Es wäre eine Premiere

Für die CVP war diese Korrektur Anlass für Abstimmungsbeschwerden in mehreren Kantonen. Nach der Abweisung durch die Kantonsregierungen wandte sich die Partei ans Bundesgericht. Dieses entscheidet heute in einer öffentlichen Beratung über die Eingaben.

Lässt das Bundesgericht die Beschwerde zu, würde die Abstimmung vom 28. Februar 2016 ungültig und das Stimmvolk müsste noch einmal an die Urnen. Nach Angaben der Bundeskanzlei war dies seit der Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 bei einer eidgenössischen Abstimmung noch nie der Fall.

SP verlor vor Bundesgericht

Eine Abstimmungsbeschwerde lag dem Gericht allerdings bereits einmal vor. Nach dem knappen Ja zur Unternehmenssteuerreform II 2008 hatte die SP eine Annullierung verlangt und damit begründet, dass der Bundesrat die Steuerausfälle für den Bund zu tief eingeschätzt habe. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab und argumentierte mit Rechtssicherheit - die Reform war bereits in Kraft.

Eine Annullierung gab es auch im Kanton Tessin einmal. Im Südkanton wurden nach Ausschreitungen und Unregelmässigkeiten während der Kampagne im Jahr 1854 die Nationalratswahlen annulliert. Entschieden hatte dies der damals zuständige Nationalrat. (SDA/sf)

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