Bürgerliche wollen Schraube beim Zivildienst anziehen
Selbst SRF setzt auf Zivis

Der Nationalrat fordert eine Verschärfung des Zivildienstes. Dieser sei für zu viele zu attraktiv. Umstrittene Zivi-Einsätze befeuern die Debatte.
Publiziert: 15.06.2017 um 09:27 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:20 Uhr
Zu attraktiv: Das Parlament will deshalb den Einsatz der Zivildienst-Leistenden erhöhen.
Foto: KEY
Ruedi Studer

Der Zivildienst erfreut sich ungebrochener Beliebtheit: 6169 Personen wurden letztes Jahr neu zum Zivildienst zugelassen. Die Zahl der geleisteten Diensttage stieg auf ein Rekordhoch von 1,7 Millionen. Der Zivildienst als Alternative zum Militärdienst ist für viele attraktiv.

Zu attraktiv, monieren bürgerliche Kritiker. Und im Vergleich zum Militärdienst zu locker. Kein Wunder also, hat sich der Nationalrat heute für eine Verschärfung ausgesprochen. Erst recht auch deshalb, weil umstrittene Zivi-Einsätzen die Debatte befeuern (siehe Box).

Kritik an SRF-Einsatz 

Aktuelles Beispiel: Selbst das Schweizer Radio und Fernsehen SRF sucht Zivildienstler. Für «dokumentarische Hilfsarbeiten bezüglich alten Radio- und Fernsehbeiträgen mit Patrimoine-Wert». Der Zivi sichtet und registriert dabei alte TV- und Radio-Beiträge, die aus kulturhistorischen Gründen wertvoll sind. 

Der Einsatz stösst bürgerlichen Sicherheitspolitikern sauer auf. «Es werden vermehrt Zivildienstleistende als billige Arbeitskräfte missbraucht. Damit werden andere Arbeitssuchende diskriminiert», wettert FDP-Nationalrat Thierry Burkart (AG). «Dass sogar die SRG als öffentlich-rechtliches Unternehmen dabei mitmacht, setzt dem Ganzen die Krone auf.» 

SRF verfüge über ein einzigartiges, Jahrzehnte altes Archiv mit audiovisuellem Kulturgut, verteidigt SRF-Sprecherin Andrea Wenger den Einsatz. «Es ist im Interesse der Gebührenzahlenden, dass dieses Archivmaterial erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.» Dafür müssten sehr viele Daten angepasst werden. «Für einen kleinen Teil dieser Bereinigungsarbeiten werden Zivildienstleistende eingesetzt.»

Und Thomas Brückner von der Zivildienst-Vollzugsstelle betont: «Zivis leisten Einsätze mit dokumentarischen Hilfsarbeiten im Tätigkeitsbereich der Kulturgütererhaltung etwa auch bei Museen, in der Denkmalpflege, in Bibliotheken oder Archiven.»

FDP-Burkart fordert engere Einsatzkriterien

Das mag die Kritiker nicht zu besänftigen. «Die Einsatzkriterien müssen viel enger gefasst werden», fordert Burkart. «Die Anzahl der Zivildienstleistenden muss massiv reduziert werden.»

Die bürgerliche Ratsmehrheit will die Schraube deshalb anziehen. Der Nationalrat hat mit 110 zu 66 Stimmen bei sechs Enthaltungen eine Motion seiner Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) angenommen. Wer nach RS-Beginn vom Militär- in den Zivildienst wechselt, dem sollen nur noch die Hälfte der bis dahin geleisteten Militärdiensttage angerechnet werden.

Ein Beispiel: Wer nach der RS wechselt, muss künftig 342 statt wie heute 294 Zivildiensttage leisten. Der Extremfall: Bei bloss einem fehlenden Militärdiensttag würde die Zivildienstdauer trotzdem noch 195 Tage betragen.

Auch Bundesrat plant Massnahmen

Der Bundesrat lehnt die SiK-Motion als «unverhältnismässig» ab, plant aber ebenfalls Verschärfungen, um insbesondere die Abgänge nach absolvierter RS zu reduzieren:

> Ab 2018 nimmt die Armee mit allen Armeeangehörigen Kontakt auf, die ein Zivildienstgesuch stellen wollen. «Es sollen so armeeinterne Alternativen besprochen werden – namentlich Dienstverschiebung, Umteilung oder waffenloser Dienst», sagt VBS-Sprecher Renato Kalbermatten.

> Das Wirtschaftsdepartement prüft eine verhältnismässigere Variante zur SiK-Motion. «Alle Zivildienstpflichtigen leisten mindestens 150 Zivildiensttage, auch wenn sie gemäss Faktor 1,5 weniger als 150 Diensttage leisten müssten», so Kalbermatten.

> Für eingeteilte Armeeangehörige wird eine Wartefrist von 12 Monaten zwischen der Gesuchseinreichung und Zulassung zum Zivildienst geprüft.

Der Bundesrat will noch dieses Jahr eine entsprechende Vorlage vorstellen.

«Wir müssen die Gewissensprüfung wieder einführen»

Oberst Peter Forster, Chefredaktor der Zeitschrift «Schweizer Soldat», ist ein harter Gegner des Zivildienstes.«Das Gesetz schreibt die Gewissensnot zwingend vor. Seit die Gewissensprüfung wegfiel, haben wir die freie Wahl», kritisiert er. «Jedes Jahr entscheiden sich Tausende für den unendlich leichteren Zivildienst, der viel weniger hart und entbehrungsreich ist als der Militärdienst.»

Als Beispiel nennt er die Zivi-Einsätze an Schulen: «Der Soldat nimmt grosse Strapazen auf sich, während der Zivi in einer Primarschule der Lehrerin etwas hilft, dabei aber keine Verantwortung trägt.» Auch der Einsatz in einer Brockenstube, «wo der Zivi half, alte Möbel zu verkaufen – und erst noch den Wettbewerb verzerrte», ist ihm ein Dorn im Auge.

Und er berichtet von einer weiteren Feststellung: «Ich selber beobachtete am lauschigen Seerhein um 15 Uhr eine Gruppe Zivis, die dösten, Musik hörten oder Karten spielten – undenkbar in der Armee.»

Für Forster ist daher klar: «Wir müssen die Gewissensprüfung wieder einführen. Und der junge Schweizer muss sich spätestens bei Eintritt in die Rekrutenschule entscheiden.» (rus)

Oberst Peter Forster, Chefredaktor der Zeitschrift «Schweizer Soldat», ist ein harter Gegner des Zivildienstes.«Das Gesetz schreibt die Gewissensnot zwingend vor. Seit die Gewissensprüfung wegfiel, haben wir die freie Wahl», kritisiert er. «Jedes Jahr entscheiden sich Tausende für den unendlich leichteren Zivildienst, der viel weniger hart und entbehrungsreich ist als der Militärdienst.»

Als Beispiel nennt er die Zivi-Einsätze an Schulen: «Der Soldat nimmt grosse Strapazen auf sich, während der Zivi in einer Primarschule der Lehrerin etwas hilft, dabei aber keine Verantwortung trägt.» Auch der Einsatz in einer Brockenstube, «wo der Zivi half, alte Möbel zu verkaufen – und erst noch den Wettbewerb verzerrte», ist ihm ein Dorn im Auge.

Und er berichtet von einer weiteren Feststellung: «Ich selber beobachtete am lauschigen Seerhein um 15 Uhr eine Gruppe Zivis, die dösten, Musik hörten oder Karten spielten – undenkbar in der Armee.»

Für Forster ist daher klar: «Wir müssen die Gewissensprüfung wieder einführen. Und der junge Schweizer muss sich spätestens bei Eintritt in die Rekrutenschule entscheiden.» (rus)

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