Das Buchcover sieht harmlos aus: Ein Vater spielt mit seinen Kindern Fussball am Strand. Aber: Der Inhalt hat es in sich. Unter dem Titel «Kinderherzen erziehen» wird die körperliche Bestrafung von Kindern propagiert. Umso grösser ist die Aufregung in der Evangelischen Volkspartei (EVP) Nidau. Denn: An der Veröffentlichung beteiligt ist ein Kandidat von ihnen, der erst im September in den Gemeinderat wollte.
Die Rede ist von Benjamin Lanz (53). Der Grafiker ist Vater von fünf Kindern im Teenageralter (vier Töchter, ein Sohn). Als ehemaliger Präsident des Vereins «Bildung zu Hause» wirbt Lanz in der Öffentlichkeit für den ausserschulischen Unterricht von Kindern. Das Ehepaar Lanz unterrichtete ihre Kinder zu Hause.
Lanz steht sogar im Impressum
Pikant: Lanz' Name findet sich als Referenz im Impressum des umstrittenen Erziehungsratgebers «Kinderherzen erziehen», der in diesem Jahr erschienen ist und bei vielen Eltern für Entsetzen sorgt. Der Buchautor, ein amerikanischer Pastor, empfiehlt die körperliche Züchtigung von Kindern als geeignetes Mittel, um die Kinder zu gottesfürchtigen Menschen zu erziehen.
Das Buch, an dessen Herausgabe Lanz beteiligt ist, ist eine Neuerscheinung des Ratgebers «Eltern – Hirten der Herzen». Die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien setzte diese Publikation 2013 auf den Index. Laut «Süddeutscher Zeitung» ist der Inhalt der neuen und alten Ausgabe fast wortgleich.
Infosekta warnt vor dem Buch
Infosekta, die Schweizer Fachstelle für Sektenfragen, warnt ausdrücklich vor dem Vorläufer der Neuauflage. O-Ton: «Das Buch «Eltern – Hirten der Herzen» ist eine Anleitung zur systematischen Gewaltanwendung gegen Kinder. Der Grossteil des Buches enthält Ausführungen zu Einschüchterung und körperlicher Züchtigung, die daraufhin zielen, den Willen des Kindes zu brechen.» Laut Infosekta findet das Buch in gewissen evangelikalen Kreisen relativ grosse Beachtung.
Der Autor beruft sich laut Infosekta unter anderem auf das Alte Testament: «Wer seine Rute schont, hasst seinen Sohn; aber wer ihn lieb hat, züchtigt ihn beizeiten.» Konkret heisst es im Buch: «Die Konfrontation mit der unmittelbaren und körperlich spürbaren Erfahrung des Disziplinierens macht ein unerbittliches Kind offen und formbar.» Und: «Obwohl körperliche Züchtigung Schmerz mit sich bringt, bringt sie doch als Frucht Frieden und Gerechtigkeit.» Den Eltern wird empfohlen, das Kind auszuziehen. Brutaler Hinweis: «Es hilft nichts, wenn Windeln oder andere Kleidungsstücke das Disziplinieren zur Streicheleinheit machen.»
EVP-Kandidat steht zu Inhalt
Infosekta warnt vor solchen Erziehungsmethoden: «Eltern schaffen auf diese Weise ein Klima der Angst und ständiger Bedrohung, die eine freie Entwicklung ihres Kindes und eine vertrauensvolle Beziehung verunmöglichen.»
Wie passt diese Pädagogik mit den Werten der EVP zusammen? Benjamin Lanz wollte diese und andere Fragen nicht beantworten. Im Gespräch mit dem BLICK liess der fünffache Familienvater jedoch durchblicken, dass er hinter den im Buch empfohlenen Erziehungsmethoden stehe.
Philippe Messerli (47), Präsident der EVP Nidau, zeigt sich überrascht: «Die EVP Nidau wusste nichts von der Mitarbeit des Kandidaten Benjamin Lanz an der Neuauflage des Buches. Die EVP distanziert sich in jeglicher Form von psychischer und physischer Gewalt an Menschen, insbesondere an Kindern.»