Ein Drittel aller in der Schweiz produzierten Lebensmittel landet heute im Abfall, das sind etwa zwei Millionen Tonnen! Fast die Hälfte davon wird in den Haushalten weggeworfen.
Von einem vollen Teller nur träumen kann im Ersten Weltkrieg Soldat Arnold. Er leistet Dienst an der Grenze und schreibt eine Postkarte nach Hause:
«Liebe Frau. Sende mir jetzt zwei Paar Soken & Taback & wenn du kannst Brot oder Brotmarken aber nur wenn Du es kannst wir bekommen halt nur ein kleines Brötchen auch kannst Du mir noch ein wenig Geld senden da ich immer etwas kaufen musste um nicht zu hungern. Lbst. Gruss Arnold».
Wie Arnold ergeht es Hunderttausenden. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Menschen sind ab 1915/1916 auf Suppenküchen und Essensmarken angewiesen. Oder auf den Erfolg der Nationalen Frauenspende, die 1916 rund 9,5 Millionen Franken für Notleidende und Soldaten sammelt.
Proteste gegen Mangel, Teuerung und Wucher
1916 kommt es in Bern, Biel, Thun, Grenchen und Zürich zu «Marktdemonstrationen». Frauen auf der Suche nach Essen für ihre Familien wehren sich auf den Märkten gegen die horrenden Preise für Eier, Gemüse und Kartoffeln. Will jemand nicht zum geforderten Preis verkaufen, übernehmen die Käuferinnen den Stand. Es kommt zu Streit und Gerangel.
Die Sozialdemokratische Partei ruft 1916 für den 27. Juli zu einer Protestversammlung gegen Teuerung und Wucher auf: «Arbeiterfrauen! Arbeiter! Seit Monaten verlangen wir wirksame Massnahmen gegen die Teuerung, insbesondere im Kampf gegen den Wucher durch Festsetzung von Höchstpreisen auf alle notwendigen Bedarfsartikel der Schweiz. Die Bundes- und Kantonsbehörden haben neben der Festsetzung von einigen Höchstpreisen noch nichts getan. Sie bringen der grossen Masse der arbeitenden Bevölkerung keinen genügenden Schutz gegen Übervorteilung und Unterernährung. (...) Jetzt müssen die Volksmassen selbst in Aktion treten, wenn ihnen gefolgt werden soll!»
Auch die Bundesratsbeschlüsse vom 4. April und 29. Mai 1917 zur Abgabe von Brot und Milch zu günstigen Preisen haben nur beschränkte Wirkung. Schmuggler, Schieber und Spekulanten machen weiterhin ihre miesen Geschäfte. Die sozialen Spannungen zwischen Arm und Reich verschärfen sich. Der Versuch, alle verfügbaren Flächen und Arbeitskräfte für die Gemüse- und Getreideproduktion heranzuziehen, kommt zu spät.
Die Hälfte der Lebensmittel kommt aus dem Ausland
In den Jahrzehnten vor dem «grossen Krieg» hat die Landwirtschaft den profitarmen Anbau von Getreide nämlich durch die einträglichere Viehwirtschaft ersetzt. Das rächt sich in den Kriegsjahren, denn die Schweiz muss fast die Hälfte ihrer Lebensmittel aus dem Ausland einführen.
Die gleiche Abhängigkeit von Nahrungsmittel-Importen besteht bis heute. Wie würden das wohl die Grosseltern der heute 50-Jährigen finden? Sie würden fassungslos vor unseren vollen Gestellen mit Erdbeeren aus Spanien, Trauben aus Italien und Rindsfilets aus Argentinien stehen. Und Soldat Arnold dreht sich angesichts der heute weggeworfenen Menge an Esswaren im Grab um.