BLICK-Sexberaterin Caroline Fux über den neuen Bundes-Flirt-Knigge
«Das ist nicht einfach ‹Besser Baggern im Bundeshaus›»

Nach der Affäre Buttet hat der Bund einen Flirt-Knigge für Parlementarier lanciert. Wir haben bei BLICK-Sexberaterin Caroline Fux nachgefragt, ob die Regeln etwas taugen.
Publiziert: 14.12.2017 um 10:28 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:57 Uhr
Am Abend, als der Skandal publik wurde: Yannick Buttet nimmt im Video mit dem «Nouvelliste» Stellung.

Brauchen Parlamentarierinnen und Parlamentarier wirklich einen Flirt-Knigge?
Caroline Fux:
Moment. Das besagte Papier ist kein Flirt-Knigge und keine fröhliche Tipp-Sammlung nach dem Motto «Besser Baggern im Bundeshaus». Das Schreiben legt stattdessen Spielregeln und Grenzen für das Zwischenmenschliche fest, die im Betrieb gelten sollen.

BLICK-Sexberaterin Caroline Fux.

Aber diese Dinge sollten erwachsenen Menschen doch klar sein.
Das sollten sie, ja. Und den meisten sind sie es auch. Trotzdem gibt es in der Praxis Probleme. Das soll sich ändern und deshalb braucht es klare Regeln. Man darf in diesen Prozessen keine Angst haben, die absoluten Basics in aller Klarheit zu wiederholen. Es liegt in der Natur von solchen Grundsatzpapieren, dass scheinbar Banales drin steht. Nehmen wir das Strafgesetzbuch: Es sollte auch klar sein, dass sie nicht das Eigentum einer anderen Person an sich nehmen dürfen. Trotzdem steht das als Vergehen im Gesetz. Das ist wichtig, damit man bei einer Verfehlung sagen kann: «Hier. Dieser Grundsatz wurde verletzt».

Die Empfehlungen, wie Flirt und sexuelle Belästigung abzugrenzen sind, wirken trotzdem reichlich banal.
Ich höre das Argument, etwas sei banal, sehr oft, wenn es um Sexualität, sexuelle Bildung und überhaupt Zwischenmenschliches geht. In der Praxis sind aber viele Männer und Frauen bei diesen Themen verunsichert. Es will es einfach niemand zugeben. Hinter dem reflexartigen Ausruf «Das ist doch klar» steckt nicht selten die Verweigerung, Lust und Liebe als spannende, wichtige, aber eben auch komplexe Themen anzuerkennen. Wir tun uns schwer damit, zu akzeptieren, dass eine erfüllende, einvernehmliche Sexualität auf Kompetenz beruht. Und wie jede Kompetenz muss man sich auch die sexuelle Kompetenz erst erarbeiten und sie lebenslang verfeinern.

«Gegenseitige Entwicklung»: Auszug aus dem Flirt-Knigge des Bundes.

Zurück zu den Beschlüssen der Verwaltungsdelegation. Wie praxisnah ist beispielsweise die Aussage, dass ein Flirt «eine gegenseitige Entwicklung» sei. Ist Gegenseitigkeit nicht eine Illusion? Jemand muss schliesslich den ersten Schritt machen.
Schon, aber ab dann soll es ein Miteinander sein. Es braucht die Beiträge und das Engagement von beiden. Keine Liebhaberin und kein Verliebter sind auf einem guten Kurs, wenn alle Investitionen einseitig kommen.

Muss man denn beim Flirten und in der Liebe nicht auch um das Gegenüber kämpfen und dranbleiben, auch wenn zuerst ein Nein kommt?
Das stimmt. Und genau diese Vielschichtigkeit macht das Thema so komplex. Viele sehnen sich nach einem fixen Regelkatalog, der haargenau festlegt, was geht und was nicht. Aber solche starren Vorgaben machen keinen Sinn und sie passen nicht zur Komplexität des Menschen. Gerade deshalb zeigt sich eine grosse Verführungskompetenz unter anderem in Kreativität und Flexibilität. Es geht darum, dass man sich geschickt für die eigenen Interessen einsetzt, ohne die Grenzen des anderen zu missachten. Eine belästigende Person blendet dagegen die Bedürfnisse des Gegenübers komplett aus. Die Gegenüberstellung im Grundsatzpapier macht da eine schöne Gegenüberstellung.

Aber wie soll man die Grenze dazwischen finden?
Indem man umsichtig, bewusst und kompetent agiert und die Antenne für die Signale des Gegenübers offen hat. Auch dieses ist in der Pflicht. Aber sich rasch, angemessen und unmissverständlich abzugrenzen ist nicht immer einfach, auch wenn es von aussen betrachtet oder im Nachhinein so aussieht. Auch Nein sagen gehört zur sexuellen Kompetenz, auch das muss gelernt sein. (bö)

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