Der Blick-Artikel über die Flugreise von Grünen-Ständerätin Céline Vara (40) in den Oman hat Aufsehen erregt. Vom «Le Courrier», über die «Le Temps» bis hin zur «24 Heures» liessen es sich die Westschweizer Medien nicht nehmen, auf den Widerspruch zwischen Varas Reise und ihren bisherigen politischen Überzeugungen hinzuweisen. Zur Erinnerung: Blick deckte auf, dass die überzeugte Grüne für ihre Familienferien in den Oman geflogen ist. Dafür muss die künftige Neuenburger Regierungsrätin Kritik einstecken.
In seiner Hauptnachrichtensendung um 19.30 Uhr ging das welsche Fernsehen RTS auf die Jungen Grünen des Kantons Neuenburg zu, da die offizielle Partei die Affäre nicht kommentieren wollte. Für Victor Tschopp, Präsident der Jungen Grünen, ist diese Enthüllung nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver: «Diese Art von Debatte schneidet uns von den wahren klimatischen Herausforderungen ab.» Der Präsident der Neuenburger FDP, Francis Krähenbühl, wies das Argument der Privatsphäre, das Céline Vara vorgebracht hatte, zurück. «Von den Grünen wird erwartet, dass sie in Sachen Klimaschutz vorbildlich sind. Vorbildlichkeit ist ein Begriff, den Frau Vara in Zukunft nur schwerlich verwenden wird.»
«Sturm im Arabischen Meer»
Die Zeitung «Le Temps» liess Jean-François Kerléo, Professor für öffentliches Recht und Spezialist für politische Ethik, zu Wort kommen. Seiner Meinung nach spielen die sozialen Netzwerke und ihr ultraschnelles Tempo eine Schlüsselrolle bei dieser Art von Thema: «Man verlangt heute, dass man das Privatleben der gewählten Vertreter durchleuchten darf, nicht aus Voyeurismus, sondern um die Vereinbarkeit zwischen ihren öffentlichen Verpflichtungen und ihrem persönlichen Verhalten zu überprüfen.»
Lematin.ch ist etwas schärfer: In einem Artikel mit dem Titel «Céline Vara: Sturm im Arabischen Meer» erinnert der Journalist Eric Felley daran, dass die Neuenburger Abgeordnete bei der Debatte im Ständerat über die Umweltverantwortungs-Initiative der Jungen Grünen das Wort ergriffen hatte, um den Text zu verteidigen. Sie warnte dort vor Treibhausgasen in der Atmosphäre und warnte vor dem «ökologischen Zusammenbruch».
Wird sich Céline Vara angesichts des derzeitigen Medienrummels dazu durchringen können, das Wort zu ergreifen? Bisher schwieg sie und bezeichnete die Reise als Privatsache.
Clivaz fliegt nicht mehr
Auch die Grünen, ihre Partei, hüllen sich in Schweigen. Die Waadtländer Nationalrätin Léonore Porchet (35) wollte gar nicht erst auf die Frage antworten. Den Artikel zu Varas Ferienflug bezeichnete sie als «ziemlich nutzlos». Komplett in Schweigen hüllte sich auch Parteivorsteherin Lisa Mazzone (43, GE). Ebenso Nationalrätin Delphine Klopfenstein Broggini (48, GE). Letztere stellte noch 2019 im Genfer Grossen Rat den Antrag, Flüge unter 1200 Kilometer für Geschäftsreisen zu verbieten.
Der Einzige, der sich bei den Grünen überhaupt äussert, ist Nationalrat Christophe Clivaz (58, VS). Wenn auch widerwillig, lässt er durchblicken, dass er nicht mehr fliegt. «Ich habe es in der Vergangenheit getan, aber der Druck ist zu gross, dass man als Grüner heute nicht mehr in den Urlaub fliegen kann, ohne sich rechtfertigen zu müssen.» Richtlinien innerhalb der Grünen gebe es aber nicht. «Jeder handelt nach seinem eigenen Gewissen.»
Angesprochen auf die «Affäre Vara» und ihre Vorbildfunktion als gewählte Amtsträgerin, sagte er, es sei schwierig, eine Debatte anzustossen, wenn man Kontext, Motivation und Häufigkeit nicht kenne. Fest steht für ihn jedoch: Ziel sei, die Luftfahrt bis 2050 CO₂-neutral zu gestalten. «Auch wenn es vor diesem Hintergrund unvereinbar erscheinen mag, dass eine gewählte Amtsträgerin fliegt, ist es umso unvereinbarer, wenn die Mehrheit des Parlaments alle Massnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen im Flugverkehr ablehnt.»