Keine Wandergruppen. Keine Familien auf einem Tagesausflug. Nichts. Am Bahnhof Basel, wo normalerweise auch sonntags Tausende aneinander vorbeiströmen, herrscht gähnende Leere. Wegen der grassierenden Coronavirus-Epidemie haben viele Geschäfte geschlossen. Der Bundesrat will es so – aber es hat ohnehin kaum Kunden.
«Sonst ist hier auch am Wochenende viel los. Jetzt aber läuft das Geschäft sehr schlecht», sagt die Verkäuferin am Bahnhofskiosk. Die Öffnungszeiten sollen angepasst werden, die Chefetage werde wohl Kurzarbeit beantragen müssen. «Es sieht sehr schlecht aus. So etwas habe ich in den letzten sechs Jahren noch nie erlebt.»
Bis zu 80 Prozent weniger Fahrgäste
Die öffentlichen Verkehrsbetriebe haben bereits reagiert und vergangene Woche damit begonnen, ihr Angebot herunterzufahren. Stufenweise werden die Fahrpläne ausgedünnt. SBB-Chef Andreas Meyer (58) sprach am Donnerstag vom «grössten Fahrplanwechsel in der Geschichte». Die Nachfrage in den Zügen sei um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Auf der Strecke Zürich–Bern sei es vorgekommen, dass ein Fahrgast einen Wagen für sich allein gehabt habe.
10 bis 30 Prozent des operativen SBB-Personals könnten derzeit nicht eingesetzt werden. Weil die Betroffenen sich schützen wollten, Symptome hätten oder Kinder betreuen müssten. Die SBB gehen davon aus, dass die verfügbaren Ressourcen noch weiter zurückgehen werden. Sie bereiten sich darauf vor, mit nur noch 50 Prozent der Angestellten zu arbeiten.
SBB-Chef: «Meidet den öffentlichen Verkehr»
«Ich hätte nie geglaubt, dass ich Kunden auffordern müsste, den öffentlichen Verkehr zu meiden», schrieb SBB-Chef Meyer via Kurznachrichtendienst Twitter. «Nehmt Rücksicht auf Kunden und Mitarbeitende im ÖV – meidet stark belastete Züge.» Wer kann, soll andere Verkehrsmittel wie das Velo nutzen. Oder digitale Arbeitsmittel von zu Hause aus.
Der Aufruf scheint Wirkung zu zeigen: In Basel steigt kaum jemand in den Zug. Wer sich an den Bahnhof verirrt hat, kauft entweder Gipfeli für den Sonntagsbrunch oder ist nur unterwegs in ein anderes Stadtquartier. Einzig auf dem Bahnhofsplatz hat es ein paar Randständige, die auch während der Corona-Krise nicht wissen, wo sie sonst hinsollen.
«In 40 Jahren noch nicht erlebt»
Der Zug nach Olten SO ist menschenleer. Ein Waggon für einen einzelnen Fahrgast. Ein Geisterzug. Fast schon unheimlich. «Ich bin jetzt seit 40 Jahren beim Zugpersonal. Das ist das erste Mal, dass ich so etwas erlebe», sagt der Kondukteur. Billettkontrollen werden keine durchgeführt – aus Sicherheitsgründen. Zugpersonal ist nur noch an Bord, falls eine Störung auftritt. «Es hat ohnehin praktisch keine Leute in den Zügen», sagt der SBB-Mann. «Die Leute bleiben zu Hause. Wer nicht unbedingt muss, fährt jetzt nicht Zug.»
Der Mann weiss, wovon er spricht. In Olten steigen gerade mal vier Personen aus. An diesem Dreh- und Angelpunkt im Schweizer Bahnnetz könnte man jeden Fahrgast per Handschlag begrüssen – wenn man noch dürfte. Auf dem Bahnhofplatz stehen leere Busse. Sie warten auf Passagiere, die nicht kommen. Bonjour Tristesse.
In den wenigen geöffneten Läden und Take-away-Cafés in der Bahnhofunterführung langweilt sich das Personal. «Es ist extrem. Eigentlich lohnt es sich am Wochenende gar nicht mehr, aufzumachen», sagt die Angestellte einer Kaffee-Kette. Auch hier ist Kurzarbeit ein Thema. «Wir wissen nicht einmal, ob wir nächste Woche überhaupt noch offen haben.» Grund zur Hoffnung gibt es kaum: Der Kluge fährt noch lange nicht wieder im Zuge.