Darum gehts
- Private Spitex-Firmen verrechnen mehr Stunden für Angehörigenpflege als andere Organisationen
- Gesundheitskonferenz Kanton Zürich fordert Massnahmen gegen Fehlanreize im Anstellungsmodell
- Firmen kassierten bis zu 82 Franken pro Stunde, zahlten Angehörigen maximal 38
Wer Familienmitglieder pflegt, kann dafür einen Lohn verlangen. Dies entschied das Bundesgericht 2019. Innert Kürze sind dadurch zahlreiche private Firmen entstanden, die sich auf die Pflege durch Angehörige spezialisiert haben. Das Geschäftsmodell dahinter ist jedoch fragwürdig.
Spezialisierte Firmen hätten im Jahr 2023 pro Kunde deutlich mehr Grundpflegestunden verrechnet als andere Organisationen, berichtet nun der «Tages-Anzeiger». Die Zeitung beruft sich dabei auf eine bislang unveröffentlichte Analyse der Gesundheitskonferenz Kanton Zürich. In der Stadt Zürich seien es durchschnittlich fünfmal mehr Stunden gewesen, in Bülach zehn-, in Winterthur elfmal mehr.
Gesundheitskonferenz fordert Massnahmen
Besonders stossend: Die Angehörigen selbst profitieren davon wenig. So kassierten die privaten Firmen bis zu 82 Franken pro Stunde, bezahlten den Angehörigen aber maximal 38 Franken aus. Die hohe Gewinnmarge stösst auf Kritik: Das aktuelle System im Kanton Zürich ermögliche den betreffenden Spitex-Firmen «lukrative Geschäftsmodelle mit hoher Gewinnabschöpfung», schreibt die Gesundheitskonferenz in ihrem Bericht, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.
Die Gesundheitskonferenz Kanton Zürich reagierte am Donnerstag auf den Artikel im «Tages-Anzeiger». Spitex-Firmen, die sich auf pflegende Angehörige spezialisiert hätten, würden «deutlich höhere» Pflegekosten verursachen – zulasten der Gemeinden, so die Konferenz. Sie fordert den Kanton deshalb auf, Massnahmen gegen Fehlanreize im Modell zu ergreifen. Zudem soll der Kanton verbindliche Qualitätsvorgaben machen, sowie wirksame Kontrollen durch die Gesundheitsdirektion.
Zudem brauche es auch auf nationaler Ebene verbindliche Regeln zur Angehörigenpflege, die über die obligatorische Krankenversicherung läuft.
Kritik auch auf nationaler Ebene
Diese Meinung teilt laut «Tages-Anzeiger» der nationale Privatspitex-Verband, der auch auf Angehörigenpflege spezialisierte Spitex-Organisationen vertritt. Er spricht sich für nationale Tarife für die Restkostenfinanzierung aus, wehrt sich aber gegen eine komplette Streichung der Beiträge.
Bereits angekommen ist das Thema auch in Bundesbern. Auf einen Vorstoss von Mitte-Nationalrat Benjamin Roduit (62, VS) zur Frage, ob die Pflege durch Angehörige der Qualität schade, stellte der Bundesrat bereits im Mai 2023 einen Bericht in Aussicht, der die Praxis analysiert. Dieser lässt jedoch seither auf sich warten.