Jetzt ist klar, wer in Bern zu äusserst günstigen Preisen in zwei von der Stadt vermieteten repräsentativen Herrschaftswohnungen wohnt. Die «NZZ» erhielt dank einer Anfrage gemäss Öffentlichkeitsgesetz von der Liegenschaftsverwaltung Einsicht in das Mietdossier für das in der direkten Umgebung des Bundeshaus gelegenen Bondeli-Hauses. Bei den Bewohnern handelt es sich laut «NZZ» um den ehemaligen SP-Nationalrat und langjährigen Verkehrspolitiker Peter Vollmer mit seiner Ehefrau Gisela, die für die SP im Stadtparlament sitzt, und um den ehemaligen Regierungsstatthalter und SP-Politiker Sebastian Bentz.
Insgesamt vermietet die Stadt Bern 18 Herrschaftswohnungen, die sich durch ihre besondere Lage oder ihre Repräsentativität auszeichnen. Das Problem: Viele der Mieter zahlen für die Objekte kaum den Marktpreis, der für solche Trouvaillen auf dem normalen Weg zu berappen wären. Fünf Mietparteien wohnen sogar bis zu 50 Prozent zu günstig, wie im September aufgrund einer Interpellation aus dem Stadtparlament bekannt wurde.
Das Ehepaar Vollmer lebt in einer 5-Zimmer-Wohnung auf 188 Quadratmetern und bezahlt dafür derzeit monatlich netto 2188 Franken Miete und 418 Franken Nebenkosten. Erst 2012 wurde in der Wohnung für über 64'000 Franken eine neue Küche eingebaut, wie aus dem der «NZZ» vorliegenden Mietdossier hervorgeht.
Ganz andere Zahlen nannte Gisela Vollmer im vergangenen Herbst, als die «Berner Zeitung» sie danach fragte, schreibt die «NZZ». Für ihre «rund 150 Quadratmeter grosse Wohnung» bezahlten sie im Monat «rund 3000 Franken Miete», sagte die Architektin. Als sie 1994 eingezogen seien, hätten sie sich gar freiwillig für eine Mietanpassung entschieden. Dadurch hätten sie damals eine «rund viermal höhere Miete als die anderen Mieter im Haus» bezahlt. Hinweise darauf finden sich im Mietdossier allerdings keine. Mindestens der Alt-Regierungsstatthalter Bentz bezahlte sowohl damals wie heute mehr Miete als das Ehepaar Vollmer.
Gisela Vollmer wollte sich zu den Widersprüchen gegenüber der „NZZ“ nicht äussern. Auf Anfrage sagt die Politikerin lediglich, sie würde zwar gerne alle Fragen beantworten. «Im Moment ist das aber nicht möglich, weil ich in den Ferien bin und überdies noch keine Akteneinsicht gehabt habe.» Offener reagiert Bentz auf Fragen zu seiner günstigen Wohnsituation. Auch er hatte auf Anfrage der «Berner Zeitung» versichert, nicht zu den fünf Mietern zu gehören, die für ihre Herrschaftswohnung zu wenig bezahlten. Als er 1980 in die vollständig renovierte 218 Quadratmeter grosse 6-Zimmer-Wohnung einzog, kostete diese 1700 Franken Miete und 189 Franken Nebenkosten. Das sei damals ein stolzer Mietzins gewesen, sagt er. Dass die 2375 Franken Miete und 572 Franken Nebenkosten, die er heute bezahlt, nicht mehr dem Marktwert entsprechen, ist ihm mittlerweile bewusst. Der 79-Jährige verweist in der «NZZ» aber darauf, dass sich die Wohnung praktisch im selben Zustand befinde wie vor 30 Jahren.
Zu den Gründen, weshalb fünf Mieter zu günstig in Berner Herrschaftswohnungen lebten, hatte der Gemeinderat (Exekutive) im Herbst die restriktiven Vorgaben des Mietrechts genannt. Anpassungen an die Orts- und Quartierüblichkeit seien bei bestehenden Mietverhältnissen nur in seltenen Fällen durchsetzbar. Laut „NZZ“ will SVP-Stadtrat Alexander Feuz, der mit seiner Interpellation das Thema aufgebracht hatte, volle Transparenz. Mit einer weiteren Interpellation hat er die Offenlegung der Mietverträge sämtlicher 18 Herrschaftswohnungen verlangt. Die Antwort der Stadtregierung steht noch aus. (hlm)