Am Dienstag überfielen zwei IS-Kämpfer eine Kirche in der Normandie und enthaupteten den Priester Jacques Hamel (86). Der Vorfall zeigt: Die Welle des IS-Terrors in Europa reisst nicht ab.
Die Gefahr dschihadistischer Radikalisierung beschäftigt auch die Schweizer Behörden. Besonderes Augenmerk legen sie jetzt auf Hinweise aus der Bevölkerung. Basel-Stadt prüft die Einrichtung einer Anlaufstelle für Radikalisierung und Extremismus. Der Kanton Genf wird im Herbst eine Hotline öffnen, wie Sicherheitsdirektor Pierre Maudet bestätigt.
Bereits einen Schritt weiter ist man in der Stadt Bern. Seit eineinhalb Jahren betreibt die Bundesstadt eine Helpline zum Thema Radikalisierung. «Wir haben mit diesem Angebot gute Erfahrungen gemacht», erklärt Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) auf Anfrage. «Oft sind es Fachpersonen, Eltern oder Freunde, die sich an uns wenden. Sie sind verunsichert, weil sie bei einem Jugendlichen oder Erwachsenen Verhaltensänderungen feststellen und nicht wissen, wie dies zu deuten ist. Hier können wir helfen.»
Seit der Einrichtung der Helpline vor 18 Monaten habe man 15 Anfragen speziell zu dschihadistischer Radikalisierung beantwortet, erklärt die Fachstelle Radikalisierung auf Anfrage. Es gibt also pro Monat rund einen Verdachtsfall.
Mehr Kontakte nach Anschlägen
Nach Attentaten wie in Paris oder in Brüssel steige die Zahl der Anrufe in der Regel an, sagt Ester Meier, Leiterin des Amts für Erwachsenen- und Kindesschutz der Stadt Bern, bei welchem die Fachstelle Radikalisierung angesiedelt ist
Die Berner Fachstelle Radikalisierung sieht dennoch Handlungsbedarf. «Wir stellen fest, dass Betroffene oft noch nicht wissen, an wen sie sich bei Verdachtsfällen wenden können. Es gibt zu wenig Fachstellen», so Meier. Zudem sei für Betroffene absolut zentral zu wissen, dass eine Warnung wegen möglicher Radikalisierung nicht automatisch ein Eingreifen der Behörden auslöse.
Zudem sollten Betroffene rascher Kontakt mit den Behörden aufnehmen. In Gesprächen mit Fachpersonen habe man immer wieder festgestellt, dass Verdachtsfälle vorliegen, diese aber nicht gemeldet werden, so Meier. Die Stadt Bern will Fachpersonen darum noch stärker sensibilisieren. «Je früher die Fachstelle Radikalisierung von besorgten Bezugspersonen einbezogen wird, desto erfolgsversprechender sind die Möglichkeiten.»
Auch Arbeitgeber stehen in der Pflicht
Ein weiteres Problem stellen junge Erwachsene dar, die nicht mehr bei den Eltern leben und keine Schule mehr besuchen und somit weitgehend vom Radar der Erziehungsberechtigten und Fachpersonen verschwinden. Bei ihnen kann es länger dauern, bis Anzeichen einer Radikalisierung festgestellt und gemeldet werden. Die Stadt Bern will deshalb vermehrt auch Arbeitgeber sensibilisieren. «Ein entsprechender Leitfaden soll bis Herbst erarbeitet werden», sagt Meier von der Stadt Bern.
Schliesslich wünscht die Stadt Bern, dass der Kanton mehr Verantwortung übernimmt. «Während die Städte ihre Präventionsarbeit professionalisieren, werden kleinere Gemeinden im Stich gelassen», erklärt Gemeinderat Reto Nause. Dies habe zur Folge, dass sich die Arbeiten auf die Städte konzentrierten. «Es wäre wünschenswert, wenn Fachstellen vom Kanton mitfinanziert würden und der Zugang zum Präventionsangebot kantonsweit gelten würde.»