Beratung für IV-Bezüger
Jeder zweite Behinderte ist unzufrieden

Ob bei der Wohnungssuche oder bei der Rechtsberatung: IV-Bezüger fühlen sich zu wenig gut unterstützt. Der Dachverband der Behindertenorganisationen fordert jetzt mehr Geld.
Publiziert: 21.12.2016 um 10:41 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:23 Uhr
Ein Ordner mit Unterlagen der IV in der Wohnung der Fibromyalgie-Patientin Frau S. am 11. Mai 2007 in Winterthur. Da chronische Schmerzen es ihr verunmöglichen, einer Arbeit nachzugehen, bezieht sie eine Invalidenrente. (KEYSTONE/Martin Ruetschi)
Foto: MARTIN RUETSCHI
Sermîn Faki

Wer eine IV-Rente bekommt, hat Anspruch auf Beratungs- und Betreuungsleistungen. Das können Kurse zum Erlernen der Gebärdensprache, eine Sozialberatung oder Hilfe bei der Suche nach einer rollstuhlgängigen Wohnung sein. 2015 boten insgesamt 527 Institutionen solche Dienstleistungen an. Kostenpunkt für die IV: 157 Millionen Franken.

Wie ein Bericht des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) zeigt, ist das nicht ausreichend. 42 Prozent der IV-Bezüger gaben darin an, dass sie mehr Hilfe bräuchten als sie bekommen. Besonders gross ist der Bedarf in der Romandie und dem Tessin. Hier fühlen sich über 50 Prozent der Menschen mit Behinderung ungenügend betreut.

«Wir müssen Leute wegschicken»

Ein Eindruck, den Julien Neruda, Geschäftsleiter des Dachverbands Inclusion Handicap, bestätigt. «Viele Beratungsstellen müssen Hilfesuchende abweisen. Wir selbst bieten Rechtsberatung an und sind immer wieder gezwungen, die Leute wegzuschicken, weil wir einfach keine Kapazitäten haben.»

Diese Leute würden mit ihren Problemen einfach allein gelassen. Etwa, wenn ihre IV-Rente gekürzt oder gestrichen wird – was jährlich bis zu 12’000-mal passiert. «Einen Anwalt können sich die wenigsten leisten, denn sie leben von der IV oder der Sozialhilfe», so Neruda.

Mehr Geld wird es nicht geben

Neruda fordert daher eine Aufstockung der Bundesmittel. Eine konkrete Summe will er nicht nennen, aber: «Die 150 Millionen, die die Behindertenorganisationen für die Angebote pro Jahr  bekommen, reichen einfach nicht. Es braucht mehr Mittel.» Eine Forderung, die es schwer haben wird, denn nicht nur das aktuelle Budget sieht Einsparungen vor. In den kommenden Jahren wird noch mehr gespart werden müssen.

Das sehen auch die Studienautoren so. Sie empfehlen dem BSV daher, etwa den Bekanntheitsgrad der Angebote zu erhöhen, beispielsweise mit einer Online-Plattform, die alle Angebote aufzeigt.

Nicht noch mehr Nachfrage schaffen

Für Julien Neruda ist das der falsche Ansatz. «Wir haben heute schon zu wenig Kapazitäten. Wird Werbung für die Angebote gemacht, müssen wir noch mehr Leute abweisen. Eine Informationskampagne setzt voraus, dass auch die Beratungsstellen mehr Geld für ihre Angebote bekommen.»

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