Bauernpräsident Markus Ritter wettert vor 10'000 Landwirten
«Der Bundesrat bricht sein Wort»

Nachdem der Bundesrat Sparmassnahmen auf den Tisch gelegt hat, demonstrieren in Bern 10'000 Landwirte. Sie sind wütend und meinen es ernst. Die Stimmung aber bleibt friedlich.
Publiziert: 28.11.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:43 Uhr
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Bauernpräsident Markus Ritter kritisiert die Sparmassnahmen.
Foto: Peter Gerber
Von Michael Bolzli (Text) und Peter Gerber (Fotos)

Markus Ritter (48) hat sein Ziel erreicht. «Ich bin überwältigt von diesem gewaltigen Aufmarsch», ruft der Präsident des Bauernverbandes ins Mikrofon. Die versammelten Landwirte applaudieren und lassen Kuhglocken läuten.

Die Demonstration auf dem Bundesplatz in Bern hat ihren Höhepunkt erreicht. Ritter übertreibt nicht: Trotz Eiseskälte sind über 10'000 Bauern aus der ganzen Schweiz nach Bern gereist. Zu viele für den Platz vor dem Bundeshaus. Ein Teil der Demonstranten muss die Kundgebung vom Waisenhausplatz aus verfolgen.

Doch warum das ganze Spektakel? Der Bundesrat hat kürzlich Sparmassnahmen auf den Tisch gelegt. Auch die Bauern müssen den Gürtel enger schnallen. Das passt ihnen nicht. «Der Bundesrat bricht sein Wort», wettert CVP-Na­tionalrat Ritter.

Mit der Agrarreform 2014–2017 habe der Bundesrat den Bauern zusätzliche Aufgaben aufgebürdet. Etwa mehr Auslauf für ihre Tiere und eine intensivere Pflege der Landschaft. Für gleich viel Geld wie bisher. Doch nun sollen die Bauern rund 100 Millionen weniger bekommen. Und das schon 2016.

Damit nicht genug. Von 2018 bis 2021 sollen die Bauern noch einmal 800 Millionen Franken weniger bekommen. «Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht», so der oberste Schweizer Bauer.

Landwirte aus allen Ecken der Schweiz sind nach Bern gekommen. Beim Aargauerstalden stehen kurz vor zehn Uhr über 100 Busse. Doch die Schulreise-Atmosphäre täuscht. Die Bauern diskutieren angeregt. 

«Heute war ich extra noch früher im Stall», sagt Milchbauer Matthias Schmid (28) aus Oberhelfenschwil SG. Um 10.15 Uhr geht es los. Langsam marschiert der Zug über die Nyd­eggbrücke, quer durch die Altstadt zum Bundesplatz.

Als die ersten Demonstranten die Berner Altstadt erreichen, warten die letzten noch oberhalb des Bärengrabens. Passanten staunen, Touristen zücken ihre Handy-Kameras. «Recht habt ihr, wehrt euch!», ruft eine ältere Dame den Bauern zu. Kuhglocken schellen, Schuhe stampfen. Gesprochen wird wenig. Keine Parolen, kein Jauchzen. Den Bauern ist es ernst. Die Stimmung aber bleibt friedlich. «Bestellte Leistungen bezahlen und Versprechen halten», steht auf dem Transparent, das Markus Ritter mit Kollegen hochhält, «Uns reichts, stoppt das Ausbluten» oder «Bauern­familien brauchen Per­spektiven» auf anderen.

Viele Bauern pfeifen finanziell aus dem letzten Loch. Die Kasse ist leer, die Perspektiven sind schlecht. «Ich will den Hof meines Vaters übernehmen», sagt Roger Basler (20). «Aber nicht bei den tiefen Milchpreisen.» Peter Abegg (54) ergänzt: «Viele Landwirte sind schon verschuldet. Spart der Bundesrat noch mehr, geht es weiter bergab.»

Markus Ritter übergibt nach seiner Rede einem Vertreter der Bundeskanzlei eine Heugabel. Diese soll die Arbeit der Bauern symbolisieren. «Vielleicht hilft sie auch, dem Bundesrat Beine zu machen», witzelt er. Zum Abschluss folgen zwei Minuten Kuhglocken-Geläut. Um halb eins ist der Grossaufmarsch vorbei. Der Bundesplatz leert sich schnell. «Der Stall ruft», sagt ein Landwirt.

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