Autor Thomas Hürlimann erzählt in einem Roman seine Familientragödie
Ein Bundesrat und sein kranker Sohn

Der jüngste Sohn des verstorbenen alt Bundesrats Hans Hürlimann hatte Knochenkrebs.
Publiziert: 25.06.2017 um 10:18 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 12:08 Uhr
Bundesrat Hürlimann mit seiner Frau Marie und Tochter Gabriele, oben die Söhne Matthias und Thomas (v. l.).
Foto: RDB
Aline Wüst

Die Geschichte ist so berührend und zugleich bedrückend, dass Dichtung aus ihr wurde: das Drama eines Bundesrats und seines kranken Sohns. Autor Thomas Hürlimann erzählt sie in seinem Roman «Der grosse Kater», erschienen 1998. Es ist Hürlimanns eigene Familientragödie – literarisch leicht zugespitzt.

Im Jahr 1979 wird Thomas Hürlimanns Vater Bundespräsident. Zusammen mit seiner Gattin Marie empfängt Hans Hürlimann das spanische Königspaar zum Staatsbesuch. Drei Tage weilen Juan Carlos und seine Frau Sofia in der Schweiz. Was die Spanier nicht wissen: Der jüngste Sohn der Hürlimanns, Matthias, hat Knochenkrebs. Er ist unheilbar krank. Zur Zeit des Staatsbesuchs liegt er im Sterben. Niemand soll davon erfahren.

Im Roman rechnet die Frau mit ihrem Gatten ab

Autor Hürlimann webt um dieses Aufeinanderprallen von Politik und privatem Unglück seinen Politthriller: Eine Intrige soll den Bundespräsidenten zu Fall bringen. Eingefädelt hat sie sein Freund, der Sicherheitschef. Der hat Ambitionen auf das Amt des Innenministers. Kurzerhand ändert er das Damenprogramm während des Staatsbesuchs. Statt einer Fabrik sollen Königin Sofia und Bundespräsidentengattin Marie nun eine Kinderklinik besuchen. Es ist die Klinik, in der das sterbenskranke Kind des Bundespräsidentenpaars liegt.

Versteht sich von selbst, dass Marie ihrem Ehemann nun Pietätlosigkeit und politisches Kalkül vorwirft, ihn gar verdächtigt, den 21-jährigen Sohn auf dem Altar der Öffentlichkeit zu opfern.

Im Roman rechnet Marie mit dem Gatten ab. Ausgerechnet beim offiziellen ­Diner mit dem Königspaar kommt es zum Eklat.

Burkhalter ist kein zweiter Hürlimann

«Wie gut ist ein Politiker, der mit seinen Handlungen und Entscheidungen die ­eigene Familie zerstört?», fragt sie vor den versammelten Würdenträgern. Die Ereignisse führen zum Rücktritt des Bundespräsidenten. Der Sohn stirbt nur wenige Monate nach dem Staatsbesuch – im Roman und in der Realität. Zurückgetreten ist Bundesrat Hürlimann im echten Leben erst drei Jahre nach dem Tod seines Sohns.

Beklemmend zeigt der Roman den unmöglichen Spagat zwischen öffentlicher Repräsentation und privater Tragödie. Thomas Hürlimann stellt indirekt die Frage, was die richtige Entscheidung ist, wenn Beruf und Familie nicht mehr vereinbar sind.
Bundesrat Burkhalter hat seine Entscheidung getroffen. Er ist kein zweiter Hans Hürlimann.

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