Doris Leuthard (54) hat der EU heute den Tarif durchgegeben. Dass die Schweizer Börse nur auf ein Jahr befristet als gleichwertig mit den Handelsplätzen der EU anerkannt wird, sei «inakzeptabel», sagte die Bundespräsidentin am Mittag.
Zuvor hatte der Bundesrat eine Krisensitzung einberufen, nachdem sich abzeichnete, dass Brüssel die Schweizer Börse nur für ein Jahr als gleichwertig anerkennt. Wolle die Schweiz die unlimitierte Anerkennung, so brauche es bis Ende 2018 substanzielle Fortschritte beim Rahmenabkommen, das regeln soll, wie sich das Recht der bilateralen Verträge weiterentwickeln soll.
Und das, obwohl EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (63) zuvor zugesichert haben soll, dass die Gleichwertigkeits-Erklärung reine Formsache sei.
«Frau Leuthard muss sich erklären»
Das Hickhack der letzten Tage kommt bei Aussenpolitikern schlecht an. So mancher fragt sich, wie die Schweiz erneut in eine derart schwierige Lage kommen konnte, nachdem beim Juncker-Besuch Mitte November alles in Butter schien.
Der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (54) will nun Antworten. Er hat am Donnerstag in der Aussenpolitischen Kommission beantragt, Doris Leuthard vorzuladen. «Frau Leuthard muss sich erklären», sagt er zu BLICK.
Unstimmigkeiten im Bundesrat
Portmann will von ihr wissen, was der Bundesrat vor dem Juncker-Besuch beschlossen und was die Bundespräsidentin dem EU-Kommissionspräsidenten kommuniziert hat. «Wenn ich mir die Diskriminierungen der EU aus den letzten Tagen so anschaue, komme ich zum Ergebnis, dass es da Unstimmigkeiten gibt.»
Portman hat generelle Zweifel an Leuthard, die das EU-Dossier nach dem Rücktritt von FDP-Bundesrat Didier Burkhalter (57) übernommen hatte. «Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob Frau Leuthard ihre Rolle als Bundespräsidentin in diesem Dossier adäquat ausgeführt hat.»
Mutlose Reaktion auf EU-Schikane
Wenig zufrieden ist Portmann auch mit Leuthards Auftritt vom Donnerstag. «Die Reaktion des Bundesrats ist mutlos», findet er. Er begrüsse die geplante Abschaffung der Stempelabgabe. «Doch was die mit dem EU-Poker zu tun hat, weiss ich nicht. Ich hätte erwartet, dass der Bundesrat die Kohäsionsmilliarde vorläufig von der Agenda nimmt.»
Zudem gebe es noch weitere Möglichkeiten, den EU-Schikanen zu begegnen. Portmann denkt etwa an eine höhere Besteuerung von Grenzgängern oder an höhere Abgaben für die Benutzung der Nord-Süd-Achse. «Da hat die Schweiz mehr als 30 Milliarden investiert – vor allem für EU-Bürger. Solche Prüfungsaufträge wären zumindest souveräner als die enttäuschende Reaktion jetzt.»