Aussenminister sieht schwarz
Nicht mal mehr Cassis steht hinter dem Rahmenabkommen

Das Rahmenabkommen scheint nicht mehr zu retten. Selbst Aussenminister Ignazio Cassis sieht schwarz. Derweil starten Politikerinnen und Politiker einen letzten Wiederbelebungsversuch.
Publiziert: 16.05.2021 um 21:20 Uhr
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Aktualisiert: 17.05.2021 um 11:10 Uhr
Bundespräsident Guy Parmelin war am 23. April in Brüssel. Das Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte: Die Differenzen zwischen der Schweiz und der EU sind immer noch riesig.
Foto: picture alliance / AA
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Noch im Herbst 2020 zeigte sich Ignazio Cassis (60) vorsichtig optimistisch. Ja, das Rahmenabkommen habe eine Chance, sagte er im Interview mit der «NZZ».

Ein halbes Jahr später hat selbst der Aussenminister die Hoffnung auf eine Einigung verloren. Laut der «SonntagsZeitung» soll er sich an der Bundesratssitzung vergangenen Mittwoch für einen Abbruch beziehungsweise eine Sistierung der Verhandlungen ausgesprochen haben. Nur zwei Bundesrätinnen sollen sich für weitere Verhandlungsversuche eingesetzt haben: nebst Viola Amherd (Mitte, 58) und – angeblich zurückhaltender – auch Simonetta Sommaruga (SP, 61).

Ein definitiver Entscheid über das weitere Vorgehen ist noch nicht gefallen. Die Diskussion im Bundesrat soll am kommenden Mittwoch weitergehen.

Cassis schon länger skeptisch

Cassis hat bereits im April öffentlich klargemacht, dass er für einen Vertragsabschluss schwarz sieht. Auf die Frage, ob das Abkommen tot sei, sagte der Aussenminister in einem Interview mit den Zeitungen von CH Media: «Ohne wichtige Bewegungen seitens der EU ist das Abkommen nicht reif für eine Unterschrift.»

Und die EU macht keine Anstalten, einen Schritt auf die Schweiz zuzumachen. Die EU-Mitgliedsstaaten sprachen sich vergangene Woche zwar für eine Weiterführung der Gespräche aus. Doch sie sehen nun die Schweiz in der Pflicht, Konzessionen zu machen.

Petition, um das Abkommen zu retten

Während der Bundesrat die Hoffnung auf einen Verhandlungsabschluss schon begraben zu haben scheint, unternehmen Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik einen letzten Rettungsversuch. Die Ständerätin Andrea Gmür (Mitte, 56) und die Ständeräte Daniel Jositsch (SP, 56) und Matthias Michel (FDP, 58) lancieren eine Petition, schreibt die «NZZ am Sonntag».

Sie fordern, dass der Bundesrat die Verhandlungen auf politischer Ebene weiterführt. Konkret sollen Aussenminister Cassis, Bundespräsident Guy Parmelin (61) und eine dritte Bundesrätin oder ein Bundesrat aus der Mitte oder der CVP mit der EU verhandeln.

Parlamentarier hören erneut Bundesräte an

Gestartet wird die Petition laut Medienbericht Anfang nächster Woche offiziell. Dann wird auch bekannt, welche Verbände sich dahinter stellen. Swissuniversities, die Rektorenkonferenz der Schweizer Hochschulen, hat bereits ihre Unterstützung zugesagt.

Am Montag befasst sich zudem die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats erneut mit dem Thema Rahmenabkommen. Sie soll gleich vier Bundesräte für die Sondersitzung eingeladen haben, so die «NZZ am Sonntag». Der Einladung folgen werden allerdings nur Cassis und Parmelin. (lha)

Das sind die Knackpunkte beim Rahmenabkommen

Der Bundesrat ist grundsätzlich einverstanden mit dem Rahmenabkommen. In drei Bereichen aber verlangt er Nachbesserungen:

  • Lohnschutz: Brüssel will, dass die Schweiz den EU-Lohnschutz übernimmt. Gewerkschaften, aber auch die Arbeitgeber sind grundsätzlich dagegen. Sie fürchten um das Schweizer Lohnniveau.
  • Staatliche Beihilfen: Im EU-Raum sind Subventionen und Steuererleichterungen verboten, wenn sie den Wettbewerb verfälschen. Das könnte etwa auch die Förderung der Wasserkraft durch die Kantone umfassen. Allerdings haben die milliardenschweren Corona-Hilfspakete das Problem entschärft.
  • Unionsbürgerrichtlinie: Müsste die Schweiz sie übernehmen, könnten EU-Bürger in der Schweiz schneller an Sozialhilfe gelangen. Dagegen gibt es breiten Widerstand.

Der Bundesrat ist grundsätzlich einverstanden mit dem Rahmenabkommen. In drei Bereichen aber verlangt er Nachbesserungen:

  • Lohnschutz: Brüssel will, dass die Schweiz den EU-Lohnschutz übernimmt. Gewerkschaften, aber auch die Arbeitgeber sind grundsätzlich dagegen. Sie fürchten um das Schweizer Lohnniveau.
  • Staatliche Beihilfen: Im EU-Raum sind Subventionen und Steuererleichterungen verboten, wenn sie den Wettbewerb verfälschen. Das könnte etwa auch die Förderung der Wasserkraft durch die Kantone umfassen. Allerdings haben die milliardenschweren Corona-Hilfspakete das Problem entschärft.
  • Unionsbürgerrichtlinie: Müsste die Schweiz sie übernehmen, könnten EU-Bürger in der Schweiz schneller an Sozialhilfe gelangen. Dagegen gibt es breiten Widerstand.
Für den Bundesrat braucht es drei Klarstellungen, bevor er Ja zum Rahmenabkommen sagt.
Keystone
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