Der Abstimmungskampf um die Ausschaffungs-Initiative geht in die letzte Phase – und die SVP kriegt Schützenhilfe von Rechtsprofessoren. Gleich drei von ihnen äussern in der «Berner Zeitung» harsche Kritik am Bundesrat. Brisant: Keiner der Juristen getraut sich, mit Namen hinzustehen. «Ich will den Bundesrat nicht tadeln», sagt einer. Ein anderer hat Angst, in die «rechte Ecke» gedrängt zu werden.
Der Bundesrat schreibt im Abstimmungsbüchlein, die Initiative würde zu stossenden Ergebnissen führen: «Ein in der Schweiz aufgewachsener ausländischer Jugendlicher müsste wegen eines einmaligen geringfügigen Einbruchsdiebstahls automatisch weggewiesen werden.»
Argumente des Bundesrates: «Blödsinn!»
Das sei «Blödsinn», sagt ein Professor. Es stimme auch nicht, dass eine Ausschaffung erfolge, wenn ein Ausländer ein paar Gramm Cannabis gegen eine CD tausche: Dieses Argument hatte die neue Justizministerin Simonetta Sommaruga in einer hitzigen Debatte mit SVP-Mann Adrian Amstutz in der «Arena» vorgebracht.
Die Strafrechtsprofessoren weisen darauf hin, dass gemäss Initiativ-Text das Parlament noch genau definieren muss, welche Tatbestände wirklich zu einer Wegweisung führen. Ähnlich hatten sich im SonntagsBlick die beiden Rechtsprofessoren Rainer J. Schweizer und Thomas Gächter geäussert – namentlich.
SVP freut sich über Kronzeugen
Nur zu gern greift die SVP diese Argumentation auf: Gestern Abend versandte sie ein Communiqué – und berief sich auf die anonymen Professoren als Kronzeugen.
Das sei entlarvend, sagt SP-Nationalrat Andy Tschümperlin: «Ich kann mir den Zeitpunkt des Artikels und die Zurückhaltung der Professoren nur so erklären, dass die Initianten dahinter stecken.» Das sei abstrus, entgegnet SVP-Generalsekretär Martin Baltisser. «Wir können bestimmt keinen Einfluss auf Professoren noch auf Zeitungen nehmen.»
Der grüne Nationalrat Daniel Vischer findet es «lächerlich», dass sich die Kritiker versteckten. Sein Parteikollege Alec von Graffenried betont: «Wenn schon, sollen Professoren sich wissenschaftlich differenziert äussern – nicht politisch oder gar polemisch, wie das hier der Fall ist.»
«Wir spielen nicht mit gezinkten Karten»
Auch FDP-Nationalrat Philipp Müller, Verfechter des Gegenvorschlags und damit Mitstreiter von Sommaruga, hätte es begrüsst, wenn die Rechtsexperten öffentlich zu ihrer Kritik am Bundesrat stehen würden. «Wir Initiativgegner haben ja nichts zu verbergen, ich spiele nicht mit gezinkten Karten.»
Inhaltlich hätten die Professoren durchaus Recht: «Es wird in jedem Fall eine Ausführungsgesetzgebung geben – egal ob Initiative oder Gegenvorschlag durchkommen.»
Auch ein Automatismus – mit dem die SVP wirbt und vor dem Sommaruga warnt – könne gar nicht umgesetzt werden: «Die Verfassung räumt jedem Ausländer das Recht ein, gegen eine Wegweisungsverfügung der kantonalen Behörden bis ans Bundesgericht zu rekurrieren.»