Darum gehts
Ein bekannter Zuger Immobilienhändler, seit über zwanzig Jahren im Geschäft, sagt unter Zusicherung von Anonymität: «Gefühlt bei jedem zweiten Kauf geht die Immobilie in ausländische Hände über. Die Klientel ist sehr kaufkräftig.» Er will den Befund nicht politisch werten. Ob es Umgehungsgeschäfte gebe, könne er nicht sagen. Die Hürde sei der Notar. Wenn dieser feststelle, dass die ausländische Käuferschaft in der Schweiz ansässig sei, könne sie die Immobilie kaufen, dann gehe es auch beim Grundbuchamt durch.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Claude Ginesta ist Immobilienhändler in Küsnacht ZH. Er vermittelt Objekte in Zürich und Graubünden und bestätigt, dass Ausländer oft Wohnimmobilien kaufen. «Wenn ein Viertel der inländischen Bevölkerung ausländischer Herkunft ist, dann ist mindestens ebenso viel der Nachfrage ausländisch.» Dass an wirtschaftlichen Hotspots eine starke Nachfrage durch kaufkräftige Kaderleute ausländischer Herkunft bestehe, sei logisch. «Untersuchungen zeigen, dass Zuger und Zürcher in den Aargau ausweichen, weil sie dort bezahlbare Objekte finden.»
Ade «Lex Koller», hallo «Lex Friedrich»
Verdrängt eine finanziell potente ausländische Käuferschaft die inländische? Namhafte bürgerliche Kreise vermuten beides und wollen dagegen vorgehen. Zuvorderst steht der Zuger SVP-Nationalrat Thomas Aeschi. Er verlangt mit einer letzten Herbst eingereichten Motion, dass der Verkauf von Immobilien an Ausländer stark eingeschränkt wird. Konkret: dass die Gesetzeslockerungen der letzten vierzig Jahre rückgängig gemacht werden, die das Parlament vornahm, um Ausländern den Kauf von Immobilien zu erleichtern. Ade «Lex Koller», hallo «Lex Friedrich».
Der Zweck der 1984 von Bundesrat Rudolf Friedrich (FDP) eingeführten «Lex Friedrich»: zu verhindern, dass Schweizer Immobilien in ausländische Hände gelangen. So steht es im Gesetz. Es war dies eine Reaktion auf die Volksinitiative «Gegen den Ausverkauf der Heimat». Wirtschaftlich begründete Ausnahmen waren verboten. Der Kauf durch Ausländer wurde bewilligungspflichtig, und es gab Kontingente. Die Käuferschaft musste unter anderem «aussergewöhnliche enge geschäftliche oder andere schutzwürdige Beziehungen» zum Ort der Immobilie nachweisen.
Ab 1997 folgten drei Lockerungen in kurzer Zeit, weil es der Schweiz wirtschaftlich schlecht ging. Zuerst erlaubte das Parlament ausländischen Investoren, Schweizer Fabriken und Büros zu kaufen. Begründet wurde es mit der Rezession, ein Grund, der bis dahin gesetzlich nicht vorgesehen war.
Ab 2002 wurde den zugezogenen EU-Bürgern erlaubt, Immobilien zu kaufen. Dies führte zu einem Schub. Und 2005 erlaubte das Parlament ausländischen Investoren schliesslich, Aktien von Immobiliengesellschaften zu kaufen.
Zwangsverkauf nach Wegzug
Würde das Parlament Aeschi folgen, könnte beispielsweise den hier ansässigen EU-Arbeitnehmenden verweigert werden, ein Haus zu kaufen und Geld in Immobilien anzulegen. Geschäftsimmobilien müssten mehrheitlich in Schweizer Händen bleiben. Beim Wegzug müssten die Ausländer ihre Immobilien unter Umständen veräussern.
Aeschi sagt, dass Wohneigentum für hiesige Familien immer weniger erschwinglich sei und auch Schweizer KMU mit markant verteuerten Geschäftsimmobilien konfrontiert seien. Verantwortlich dafür seien der knappe Boden und die Zuwanderung «von netto 1,5 Millionen Personen seit Einführung der Personenfreizügigkeit 2002».
Unterstützung erhält er vom Zuger Mitte-Nationalrat Gerhard Pfister. Die Nachfrage von Käufern mit ausländischem Pass nach Immobilien sei beträchtlich. «Es findet eine Art Ausverkauf der Heimat statt», sagt Pfister. «Würde man das Volk heute über eine Überfremdungs-Initiative abstimmen lassen, wie es Anfang der 70er-Jahre der Fall war, wäre sie alles andere als chancenlos», glaubt der Mitte-Politiker.
Nicht nur er und Aeschi wollen die Käufe einschränken, auch der Bundesrat hat einen Plan. Bis Juni will Bundesrat Beat Jans eine Vorlage erarbeiten, die die Käufe durch Ausländer beschränkt – dies als Reaktion auf die SVP-Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz!». Den hier arbeitenden Drittstaatenangehörigen soll der Kauf erschwert werden, sie sollen beim Wegzug ihr Heim verkaufen, und ausländischen Anlegern soll der Zugang zu hiesigen Immobilien-AG erschwert werden.
Fehlende Ausländerquote im Immobilienbesitz
Derzeit gibt es keine Statistik, die zeigt, wie viele Immobilien von Ausländern gekauft werden, ausser bei Ferienwohnungen. 2022 waren es hier 561 Käufe von im Schnitt 275 Quadratmeter Wohnfläche je Objekt, das meiste davon in den Bergen. 1980 führte die Schweiz eine komplette Statistik: Von 1961 bis 1980 gelangten 58’000 Immobilien für 13 Milliarden Franken in ausländische Hände, bei einem Ausländeranteil von 10 bis 17 Prozent.
Folgt man den Aussagen von Immobilienhändlern wie Ginesta, dürften heute geschätzt 30 Prozent der in der Schweiz lebenden ausländischen Personen eine Wohnimmobilie besitzen, also rund 750’000. Dies ist nachvollziehbar, weil die Eigentumsquote 36 Prozent beträgt und weil laut Statistik mittlere und obere Kaderleute mit ausländischem Pass im Mittelwert mehr verdienen als Schweizer Kader.
Hier lebende Ausländer können sich Immobilien also eher leisten als Schweizer. Insofern sind die Beobachtungen des Zuger Händlers, dass jede zweite Käuferschaft ausländisch sei, plausibel.
«Gegen die Überfremdung des Bodens» wird zum Mainstream
Dass die Forderungen Aeschis und des Bundesrates salonfähig sind, zeigt das Echo aus bürgerlich regierten Kantonen von 2018. Damals schlug der Bundesrat ähnlich wie Aeschi Einschränkungen der Kaufrechte für Ausländer vor. Zwar lehnte eine Mehrheit der Kantone sie ab, und so wurde die Vorlage nicht weiterverfolgt. Aber vier Kantone waren mehrheitlich dafür.
Obwalden wollte die Bewilligungspflicht für EU-Bürger und Drittstaatenangehörige einführen. Basel-Stadt verlangte Kaufbeschränkungen für ausländische Investoren, weil genug Kapital am hiesigen Immobilienmarkt vorhanden sei. Zürich wollte den Verkauf von Wohnhäusern an Drittstaatenangehörige erschweren und den Zwang einführen, die Immobilie bei Wegzug zu verkaufen.
Am deutlichsten liess sich 2018 der Thurgau vernehmen: Der stramm bürgerliche Regierungsrat wollte nicht nur das Kaufrecht für Ausländer streng kontrollieren, er war auch für Einschränkungen für ausländische Anlagen in Fabriken und Büros. In der Schweiz sei heute genug Immobilienkapital verfügbar. «Weshalb es nicht mehr nötig ist, diesen Markt für ausländische Anlagen zu öffnen», so die Regierung.
FDP-Regierungsrat Walter Schönholzer, damals wie heute verantwortlich für die «Lex Koller», sagt: «An dieser Haltung hat sich aus meiner Sicht nichts geändert. Rechtsklarheit erhöhen, Umgehungsgeschäfte verhindern und administrativen Aufwand der Behörden verringern ist aktueller denn je.»
Viel ausländisches Geld für Schweizer Immobilien-AG
Aeschi und Pfister sind also nicht allein. Im Parlament können sie zudem mit der Unterstützung von links in der Person von SP-Vizepräsidentin Jacqueline Badran rechnen. Sie will ausländisches Kapital beschränken, das in kotierte Schweizer Immobilienfirmen und -fonds angelegt wird. Seit über zehn Jahren verfolgt sie dieses Ziel. 2013 reichte sie eine Motion ein, die dies verlangte. Der Nationalrat war oppositionslos dafür, einschliesslich SVP und FDP. Der Vorstoss scheiterte knapp im Ständerat.
Jetzt sieht sie mit Aeschis Vorstoss eine neue Chance. «Boden und Immobilien sind eine essenzielle Güterklasse, unser Zuhause und unsere Arbeitsstätten und keine Anlagekategorie. Deshalb muss deren Erwerb jenen vorbehalten sein, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben», sagt Badran.
Wer sind die Firmen in Badrans Visier? Die vier grössten heissen Allreal, Mobimo, Swiss Prime Site (SPS) und PSP. Ihr Börsenwert macht etwa 80 Prozent der rund fünfzig kotierten Schweizer Immobilien-AG aus. Ihr Geschäft blüht seit 2005 – seit der dritten Lockerung der «Lex Koller». In den vergangenen zehn Jahren hat sich ihr Wert verdoppelt. Ende 2024 waren die vier Gesellschaften 18,6 Milliarden Franken wert. Das entspricht geschätzt 0,6 Prozent des schweizerischen Immobilienparks.
Sie investieren überwiegend in Geschäftshäuser. Der Anteil an Wohnungen in ihren Portfolios beträgt im Schnitt 9 Prozent. Mobimo und Allreal halten je rund 2300 Wohnungen, was knapp 0,1 Prozent des inländischen Bestandes entspricht. Die Wohnungsanteile sind demnach klein.
Wie viel ausländisches Geld steckt in den vier Gesellschaften? Die Werte sind nicht genau festzumachen. Das liegt daran, dass Aktionäre an der Börse nicht gezwungen sind, ihre Identität offenzulegen.
Der Anteil der unbekannten Aktionäre bei SPS beträgt 44,5 Prozent, bei PSP 42 Prozent, bei Allreal 28,8 Prozent und bei Mobimo 5 Prozent – im Schnitt also 30 Prozent der Aktien. Sie könnten ausländisch sein.
Als ausländisch registriert sind bei SPS 28,1 Prozent des Aktionariats, bei PSP 13,25 Prozent, bei Mobimo 11,1 Prozent und bei Allreal 2,1 Prozent. Die Behörden haben laut einem Insider bisher Käufe von Wohnimmobilien durchgewinkt, weil die Gesellschaften als schweizerisch beherrscht gelten.
Die Opposition der Wirtschaft wird gross sein
Wie schon bei den Versuchen zur Verschärfung der «Lex Koller» 2013 und 2017 wird sich eine Allianz von Immobilienverbänden energisch gegen die Vorhaben von Aeschi und dem Bundesrat einsetzen, zuvorderst der Verband Immobilien Schweiz (VIS). Sein Präsident und FDP-Nationalrat Beat Walti sagt, die Absicht der «Lex Koller» sei, Schweizer Boden nicht der Spekulation auszusetzen. «Das finde ich richtig», so der Zürcher Nationalrat.
Allerdings sieht er die Analysen von Aeschi, Pfister, Jans und Badran als «Phantomschmerz». Man wolle hier lebende Ausländer beim Wegzug ins Ausland enteignen, das gehe viel zu weit. Was die Immobilien-AGs betreffe, brauche es eine wirtschaftsliberale Haltung, findet Walti.
Immobilien seien eine stabile Assetklasse und das führe zu günstigen Finanzierungen von Geschäftsimmobilien. «Diesen Zufluss ausländischen Kapitals einzuschränken, wäre ein grosser Fehler fürs Land», so der Wirtschaftsanwalt.
Immobilienhändler Ginesta rät der Schweiz, sie solle sich davor hüten, Käuferschaften mit ausländischem Pass zu Sündenböcken für hohe Immobilienpreise abzustempeln. Faktoren wie Baulandmangel, zeitfressende Baubewilligungen und erschwerte Bankenfinanzierungen für Wohnungen seien die grossen Treiber der Immobilienpreise – und nicht die Ausländer. Aeschi, Pfister, Badran und Jans dürften es am Ende gegen die Vertreter der liberalen Wirtschaft schwer haben.