«Ausgeschlossen, dass Zuwanderungs-Ja aufgehoben wird»
Aber hat die SVP die direkte Demokratie verletzt?

Weil das «Kosovaren-Schlitzer»-Inserat rassendiskriminierend sei, soll die Masseneinwanderungs-Initiative für ungültig erklärt werden. Hat die Stimmrechtsbeschwerde eine Chance? Blick.ch sprach mit Staatsrechtsprofessor Andreas Auer.
Publiziert: 30.01.2015 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:49 Uhr
Das Inserat aus dem Jahr 2011, das jetzt ein gerichtliches Nachspiel hat.
Von Nico Menzato

Herr Auer*, die Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative der SVP soll für ungültig erklärt werden. Das verlangt eine Stimmrechtsbeschwerde, die heute beim Bundesgericht eingereicht wurde. Ist es denkbar, dass der Volksentscheid für ungültig erklärt wird?

Andreas Auer: Nein, das ist ausgeschlossen. Das Bundesgericht wird es nie wagen, diesen Volksentscheid für ungültig zu erklären.

Wieso nicht?

Es kommt sehr selten vor, dass das Bundesgericht massiv ins politische Geschehen interveniert. Auf eidgenössischer Ebene ist die Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform II ein möglicherweise vergleichbarer Fall. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass der Bundesrat die politischen Rechte verletzt hat. Weil sich herausstellte, dass durch die Reform viel mehr Steuereinnahmen verloren gehen als es der Bundesrat behauptete. Den Volksentscheid hat das Bundesgericht trotzdem nicht aufgehoben.

Dann bringt die jetzige Stimmrechtsbeschwerde also gar nichts?

Doch. Es ist denkbar, dass das Bundesgericht feststellt, die SVP habe mit dem Inserat die politischen Rechte verletzt. Das wäre ein bedeutsamer Entscheid – und für die Volkspartei nur schwer zu ertragen. Die SVP müsste sich vorwerfen lassen, sie habe die direkte Demokratie verletzt, was den Volksentscheid vom 9.Februar 2014 politisch in ein schiefes Licht stellt.

Wie oft wurden in der Schweizer Geschichte Volksentscheide für ungültig erklärt?

Es gibt ein paar wenige Fälle auf Gemeinde- und Kantonsebene, bei denen der Wählerwille massiv manipuliert worden ist. Einen Tag vor einer Gemeindewahl etwa wurde einem Kandidaten vorgeworfen, er sei pädophil. Das Bundesgericht hat eine Wiederholung der Wahl angeordnet.

* Andreas Auer ist emeritierter Professor für Staatsanrecht an der Universität Zürich

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