Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Laut der gestern veröffentlichten SRG-Umfrage will eine Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung, dass die Enkel von Einwanderern erleichtert eingebürgert werden. 48 Prozent sind sicher dafür, 18 eher dafür. Das Nein-Lager ist mit 31 Prozent weit abgeschlagen, noch nicht entschieden haben sich nur drei Prozent.
Aber wie sicher können sich die Befürworter der Vorlage sein? «Aus Erfahrung wäre ich sehr vorsichtig», sagt Politologe und Abstimmungsexperte Thomas Milic von der Forschungsstelle Sotomo. «Das Volksmehr ist zwar ziemlich wahrscheinlich, aber die Knacknuss ist das Ständemehr. Die Vorlage droht daran zu scheitern.»
2004 verwarfen die Kantone die Vorlage über die ordentliche Einbürgerung und erleichterte Einbürgerung für junge Ausländer der zweiten Generation mit grossem Mehr: Gerade mal fünf Kantone sowie ein Halbkanton sagten Ja. Anders als heute war aber auch das Volk dagegen: 43,2 Prozent sagten Ja, 56,8 Prozent Nein. Sogar für gewöhnlich progressiv stimmende Kantone wie Zürich bodigten die Vorlage mit 55,6 Prozent.
«Sind Eingebürgerte denn Schweizer?»
Warum dieses klare Nein? «Für viele Stimmbürger geht es hier gar nicht um den exakten Inhalt der Vorlage, sondern um fundamentale Wertehaltungen», sagt Thomas Milic. Er hat damals das Abstimmungsverhalten der Bürger genau unter die Lupe genommen. «Die Stimmenden stellen sich eine Grundsatzfrage», erklärt er.
«Sehe ich Eingebürgerte als Bereicherung, als Gewinn für die Schweiz? Oder bin ich der ausländischen Bevölkerung gegenüber im Grundsatz skeptisch bis negativ eingestellt?» Diese Grundüberzeugungen seien für einige fast schon etwas Religiöses.
Denn es gehe auch um die Frage, wie man Schweizer definiere: «Für viele in der SVP sind selbst Eingebürgerte im Wertesinn nicht automatisch Schweizer, sondern Papierli-Schweizer. Die Haltung der Operation Libero ist hingegen: Jeder, der hier in der dritten Generation lebt, ist im Prinzip Schweizer.»
Die SVP setzt auf den Wiedererkennungseffekt
Und was bewirkt der emotional geführte Abstimmungskampf mit den Burka-Plakaten, die mit der eigentlichen Vorlage nichts zu tun haben? Sind sie am Ende nicht gar kontraproduktiv für die Gegner? Milic verweist auf Alex Kuprecht, den Ständerat aus der SVP-Hochburg Schwyz. Der Parlamentarier hat seine Meinung geändert, weil ihm die Plakate «einige Niveaus zu tief» sind.
Ein Burka-Bumerang sei «nicht auszuschliessen», so Milic vorsichtig. «Ein Teil der Bevölkerung stört sich am Niveau dieser Kampagne. Aber die SVP fährt damit allerdings eine geschickte Strategie: Die Plakate erinnern schliesslich stark an die Anti-Minarett-Symbole. Es geht um den Wiedererkennungseffekt.»