Gehören Sie zu den Jahrgängen 1952 bis 1964? Pech gehabt!
Babyboomer kommen bei den Renten doppelt an die Kasse

Dank der boomenden Aktienmärkte erzielten die Pensionskasse in den letzten Jahren flotte Renditen. Doch die Versicherten bekamen nur einen Teil davon.
Publiziert: 01.05.2017 um 23:39 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:47 Uhr
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Babyboomer im freien Fall: Sie erhalten tiefe Renten und zahlen für die Reserven der nächsten Generation.
Foto: Ira T. Nicolai
Guido Schätti

Die Pensionskassen pfeifen aus dem letzten Loch. Den Pensionierten müssen sie viel zu hohe Renten zahlen. Deshalb knausern die Kassen bei den künftigen Pensionären. Die Umwandlungssätze – sie zeigen an, wie viel das Alterskapital pro Jahr abwirft – schrumpfen bei vielen Kassen von mehr als sechs auf fünf Prozent. Das entspricht einer Rentenkürzung von gegen 20 Prozent.

Die Versicherten machen die Faust im Sack. Proteste auf breiter Front? Fehlanzeige. Schliesslich haben die Kassenwarte das Totschlag-Argument auf ihrer Seite: die Negativzinsen. Wie soll man hohe Renten zahlen, wenn man selber nichts bekommt am Kapitalmarkt?

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die Aktien- und Immobilienmärkte boomen seit Jahren – und verhelfen den Kassen zu ansehnlichen Renditen. Rund vier Prozent machten sie in den letzten drei Jahren im Schnitt vorwärts, wie der Pensionskassenindex der Credit Suisse zeigt.

Versicherte bekommen nur die Hälfte der Erträge

Doch seltsam: Nur die Hälfte davon floss an die Versicherten. Im Schnitt verzinsten die Kassen die Altersguthaben mit zwei Prozent. Das zeigt das PK-Rating des Finanzberaters VZ, das BLICK exklusiv vorliegt (siehe Tabelle).

Und die Differenz? Behalten die Kassen bei sich. «Damit stopfen sie ihre Reserven», sagt Stefan Thurnherr (53), PK-Spezialist beim VZ. Die Kassen haben heute ein Finanzpolster von fünf Prozent. Die Zielmarke liegt bei 18 Prozent. Um die Lücke zu schliessen, brauchen sie 55 Milliarden Franken. Diese schöpfen sie nun aus den Zinsen ab. 

Die verlorene Generation

Die Zeche zahlen die Neurentner. «Die Babyboomer sind die verlorene Generation», sagt Thurnherr. «Sie haben die Rentner ausfinanziert, weil man denen zu hohe Renten versprochen hat. Nun müssen sie auch noch dafür zahlen, dass die Kassen wieder Polster aufbauen können.» Die Jahrgänge 1952 bis 1964 werden damit doppelt zur Kasse gebeten. 

Thurnherr sieht einen Ausweg aus der Misere: Er schlägt vor, dass die Reserven den einzelnen Versicherten zugeteilt werden. Bei der Pensionierung nehmen sie ihren Anteil mit und müssen nicht mehr für die anderen zahlen. «So lässt sich der legale Rentenklau verhindern», sagt Thurnherr.

Experten sind skeptisch

Dass die Kassen einen Teil der Zinsen darauf verwenden, die finanzielle Schwindsucht zu stoppen, bestreiten andere PK-Experten nicht. Der Rentenklau-Vorwurf sei aber verfehlt, sagt Urban Hodel (31), Geschäftsführer des gewerkschaftsnahen PK-Netzes: «Anders als bei Lebensversicherungen werden die Zinsen den Versicherten nicht vorenthalten. Das Geld bleibt im System.»

Nichts hält Hodel von individualisierten Reserven: «Das bringt den Versicherten nichts, im Gegenteil.» Sein Beleg: Private Lebensversicherer erzielten nur gerade ein Drittel so viel Rendite wie Pensionskassen. «Ohne kollektive Risikostreuung sinken die Renten», folgert Hodel. 

Skeptisch ist auch Hanspeter Konrad (58), Direktor des Pensionskassenverbandes Asip: Durch individuelle Reserven gingen die Vorteile der kollektiven Vorsorge verloren. «Die liegen ja gerade darin, dass Marktschwankungen nicht direkt durchschlagen, sondern durch die Bildung und Auflösung von Reserven ausgeglichen werden können.» 

Für die Babyboomer ist das ein schwacher Trost: Sie haben nichts vom Auf und Ab der Märkte. Mit ihren Zinsen äufnen die Kassen nun die Reserven. Wenn die dereinst wieder aufgelöst werden, sind die Babyboomer längst in Rente.

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