Soll die Schweiz die Zeitumstellung abschaffen?
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Neue Volksinitiative:Soll die Schweiz die Zeitumstellung abschaffen?

Abschaffung der Sommerzeit
Kann Capaul dieses Mal auf die Bauern zählen?

Bei seiner Initiative zur Abschaffung der Sommerzeit hofft Bergbauer Armin Capaul auf den Support seiner Berufskollegen. Vor 40 Jahren haben die Bauern schon einmal gegen die Zeitumstellung gekämpft. Doch tun sie das ein zweites Mal?
Publiziert: 15.04.2019 um 20:22 Uhr
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Aktualisiert: 15.04.2019 um 22:52 Uhr
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Bergbauer Armin Capaul lanciert die nächste Volksinitiative: Dieses Mal kämpft er für die Abschaffung der Sommerzeit.
Foto: Keystone
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Für Armin Capaul (67) steht fest: Die Zeitumstellung ist ein Fluch für die Landwirte. «Mich strapaziert sie seit 38 Jahren mehr oder weniger jeden Tag im Sommerhalbjahr», klagte der Bergbauer, der mit seiner Hornkuh-Initiative Bekanntheit erlangte, dieses Wochenende auf der Heimwehfluh hoch über Interlaken BE. Im Säli des Panoramarestaurants hatten er und SVP-Nationalrätin Yvette Estermann (52) zur Medienkonferenz geladen. Sie wollen per Volksinitiative die Zeitumstellung abschaffen und zurück zur ewigen Winterzeit. 

Denn für Bauern bedeute die Sommerzeit nichts anderes als länger «chrampfen», sagte Capaul. Sie seien der Zeitumstellung ausgeliefert, zum Beispiel beim Heuen. Da müsse man warten, bis die Sonne kommt, egal welche Zeit die Uhr dann anzeigt. Das sei «extrem blöd». Und auch den Milchkühen bereite die Zeitumstellung Probleme. 

Bauern hatten Einführung einst verhindert

Die Bauern hatten sich einst mit Händen und Füssen gegen die Einführung der Sommerzeit und damit der Zeitumstellung gewehrt. 1978 ergriffen fünf Landwirte aus dem Zürcher Oberland das Referendum gegen das damals neue Zeitgesetz. Der Support ihrer Berufskollegen war ihnen sicher. Innert dreier Monate kam fast das Dreifache der nötigen Unterschriftenzahl zusammen. 

Die Einführung der Sommerzeit wurde an der Urne schliesslich knapp abgelehnt. Lange über den Erfolg freuen konnten sich die Bauern aber nicht. Nach sechs Monaten Alleingang der Schweiz, der allein die SBB Millionen kostete, entschied der Bundesrat Anfang 80er-Jahre eigenmächtig, die Zeitumstellung einzuführen.

Winterzeit bei Landwirten beliebter

Der Bauernverband unterstützte damals das Referendum. Werden die Bauern auch dieses Mal, knapp 40 Jahre später, zum Kampf gegen die Sommerzeit blasen? 

Hornkuh-Rebell Capaul hofft darauf. Bei seiner Hornkuh-Initiative war der Bauernverband kritisch und beschloss Stimmfreigabe. Nun rechnet er sich mehr Chancen aus, bei den Landwirten zu punkten. Er verweist auf eine Umfrage des «Schweizer Bauers», bei der sich vier von fünf Teilnehmern für eine Abschaffung aussprachen. Das an sich spricht noch nicht unbedingt für die Initiative, da die Zeitumstellung aufgrund eines Entscheides der EU wohl sowieso bald abgeschafft wird.

Interessant ist aber, dass die Teilnehmer die Winter- der Sommerzeit ganz klar vorziehen. Damit stehen die Bauern quer zur Mehrheitsmeinung in vielen anderen Staaten. In Europa wollen die meisten lieber die ewige Sommerzeit – und die Schweiz wird sich, um erneute Probleme zu vermeiden, dem Entscheid der Nachbarländer fügen müssen.

Bauernpräsident Ritter will keine «Zeitinsel»

Dass Capaul die Herzen und Unterschriften der Bauern zufliegen, wie das beim Referendum vor knapp 40 Jahren der Fall war, ist allerdings unwahrscheinlich. Weil sich die Initiative erst im Sammelstadium befindet, hat der Bauernverband noch keine Parole gefasst. Bauernverbandspräsident Markus Ritter allerdings hält nicht viel vom Volksbegehren.

Zwar ist er auch er der Meinung: «Das Hin und Her im Frühling und Herbst bringt keinen Nutzen.» Die grossen Energiespareffekte, die der Bundesrat in den Siebzigerjahren versprochen habe, seien nicht eingetreten. «Deshalb kann man sich zurecht fragen, warum wir die Zeitumstellung immer noch vornehmen.»

Schlimmer als die Folgen für die Bauern und ihre Tiere wäre für Ritter aber, wenn die Schweiz zur «Zeitinsel» würde. Eine Differenz zum Ausland «würde den gesamten Austausch, sei es wirtschaftlich oder bezüglich Reisetätigkeit erschweren», sagt er. «Deshalb ist es fraglich, ob wir die Winterzeit als starre Vorgabe in die Verfassung schreiben wollen.» 

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