Aargauer Gemeinderätin wirft Bettel hin, um Familie zu schützen
Drohungen gegen Kommunal-Politiker werden zum Problem

Gemeinderätin Astrid Haller (GLP) hat genug. Die ehemalige Frau Gemeindeammann von Brittnau AG tritt zurück, weil sie anhaltend bedroht wird und die Sicherheit ihrer Familie gefährdet sieht. Kein Einzelfall, wie sich zeigt. Seit Jahren nehmen Anfeindungen gegenüber Politikern zu.
Publiziert: 17.01.2018 um 18:44 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 17:40 Uhr
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Die grünliberale Gemeindepolitikerin gibt auf: In Brittnau AG sind die Anfeindungen und Drohnunge zu belastend für Astrid Haller geworden.
Foto: zVg
Julien Duc

Ein zerkratztes Auto, Kuhmist auf der Terrasse, massive Diffamierung im Internet: Astrid Haller (53) hat genug. Die GLP-Gemeinderätin und ehemalige Frau Gemeindeammann tritt per April zurück. Sie hofft so, ihre Sicherheit und jene ihrer Familie wieder gewährleisten zu können, wie die Gemeinde Brittnau AG schreibt.

In der Gemeinde war die Missgunst gegenüber Haller seit stetig gewachsen. Ende September des vergangenen Jahres wurde sie als Gemeindepräsidentin nach einem schmutzigen Wahlkampf abgewählt.

Zwei Monate später entliess der Gemeinderat einen beliebten Feuerwehrkommandanten, dessen Kündigung Haller unterschrieben hatte (BLICK berichtete). Spätestens seit diesem Vorfall häuften sich die Feindseligkeiten gegenüber der Politikerin. Jetzt zieht sie die Reissleine.

Zahl der Anschuldigungen steigt

Hallers Fall ist kein Sonderphänomen. Immer wieder und immer öfter sehen sich Politiker und Politikerinnen mit Beschimpfungen oder Anfeindungen konfrontiert. Drohungen gegenüber Bundespolitikern nehmen seit Jahren zu, wie die Zahlen des Bundesamts für Polizei (Fedpol) zeigen.

Gingen 2014 rund 200 Drohungen bei der Bundesbehörde ein, waren es 2015 bereits 1063. Ein Jahr später ist die Zahl weiter massiv auf 1691 Meldungen angestiegen.

Keine förderliche Entwicklung

«Auch auf Gemeindeebene gibt es leider Drohungen, Beschimpfungen und Anfeindungen gegen Politiker», sagt Philippe Blatter vom Schweizerischen Gemeindeverband. «Durch die Anonymität des Internets ist die Hemmschwelle für Beleidigungen und Drohungen sicher gesunken.»

Das ist keine förderliche Entwicklung, denn auf Kantons- und vor allem auf Gemeindeebene ist es auch ohne Anfeindungen eine Herausforderung, genügend Leute für politische Ämter zu finden. Bei kantonalen Parteien nimmt man das Problem vor allem im Internet und auf den sozialen Medien wahr.

«Zweimal überlegen, sich pointiert zu äussern»

«Werben wir zum Beispiel auf Facebook mit einer jungen Politikerin, gibt es schnell mal sexistische Kommentare. Wenn es um Migration oder Ausländer geht, werden die Kommentare teilweise auch richtig widerlich», erzählt Stefan Rüegger (29), Kampagnenleiter und stellvertretenden Parteisekretär der Zürcher SP.

Ein konkretes Beispiel, dass sich eine Politikerin oder ein Politiker wegen Anfeindungen aus der Politik zurückgezogen habe, ist Rüegger nicht bekannt. Hagle es im Netz aber ständig Beleidigungen, ohne dass eine inhaltliche Diskussion stattfindet, «überlegt man es sich schon zweimal, sich pointiert für eine Sache zu äussern», meint er. Darum trügen Anfeindungen und Drohungen mit dazu bei, dass die Rekrutierung auf Gemeindeebene zuweilen Mühe bereitet.

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