500 Franken für alle, um die Folgen der Corona-Krise abzufedern
Gewerkschaften wollen Krankenkassen-Milliarden anzapfen

Die Corona-Krise hat Berufstätige mit tiefem Lohn arg gebeutelt. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund schlägt nun ein Massnahmenpaket vor, um diesen zu helfen.
Publiziert: 06.07.2020 um 11:29 Uhr
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Aktualisiert: 06.07.2020 um 11:31 Uhr
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Viele Betriebe litten während der Corona-Krise – und haben teilweise noch immer zu kämpfen.
Foto: DUKAS

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) befürchtet eine «soziale Katastrophe». Handle man jetzt nicht, drohe als Folge der Corona-Krise ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit, warnt die grösste Arbeitnehmer-Organisation der Schweiz an einer Medienkonferenz.

Der SGB hat klare Vorstellungen, wie der «Worst Case» verhindert und die Konjunktur stabilisiert werden kann. Unter anderem fordert er, der Bund solle die Milliarden-Reserven der Krankenkassen anzapfen. Fast fünf Milliarden Franken mehr als gesetzlich vorgeschrieben hätten die Kassen dank der stetig steigenden Prämien angehäuft, sagt SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (52).

Bund soll Corona-Verordnung anpassen

Bisher haben die Kassen die hohen Reserven mit dem Argument verteidigt, man müsse für Krisen – beispielsweise Pandemien – gewappnet sein. SP-Nationalrat und Gewerkschaftsboss Maillard stellt nun aber fest: Die Kassen würden während einer Pandemie eher sparen, als dass sie massive Mehrausgaben zu stemmen hätten. Denn die Spitäler durften auf dem Höhepunkt der Corona-Krise nur noch die dringendsten Behandlungen durchführen. Zahlreiche teure Eingriffe fielen weg.

«Ein derartiges Ausmass an Reserven ist also keinesfalls notwendig», so Maillard. Der Bevölkerung müsse deshalb das Geld wieder zurückgegeben werden. Der SGB schlägt vor, die Covid-19-Verordnung entsprechend anzupassen. Mit dieser Verordnung sollen die Corona-Massnahmen, die weiterhin notwendig sind, vom Notrecht in ordentliches Recht überführt werden. Derzeit können Kantone, Verbände und Interessengruppen Stellung zum Verordnungs-Vorschlag des Bundesrats beziehen.

500 Franken pro Person liegen laut Maillard drin

Maillard ist sich sicher: «Eine Rückzahlung von durchschnittlich 500 Franken pro Einwohner ist möglich, ohne das System im Geringsten zu gefährden.» Die Krankenkassen sind anderer Meinung. Laut Santésuisse-Präsident Heinz Brand (64) wird die Corona-Krise die Versicherer noch teuer zu stehen kommen. Viele der ausgefallenen OPs würden nachgeholt. «Es ist damit zu rechnen, dass die Kosten im zweiten Halbjahr überdurchschnittlich ansteigen», sagt er. Dank der Reserven, so Brand erst kürzlich im BLICK-Interview, könne man verhindern, dass es nächstes Jahr zu einem Prämienschub komme.

Nebst dem Anzapfen der Krankenkassen-Reserven fordert der SGB, dass der Bund Kitas und Horte stärker finanziell unterstützt, damit Familien sich die Kinderbetreuung besser leisten können. Ausserdem sollen Personen, die weniger als 5000 Franken im Monat verdienen, bei Kurzarbeit nicht nur 80 Prozent des Lohns bekommen, sondern die ganzen 100 Prozent.

Bericht zeigt Lohn-Unterschiede auf

Anlass für die Präsentation des Forderungskatalogs ist ein neuer Bericht zur Verteilung von Löhnen und Vermögen in der Schweiz, den der SGB vorgestellt hat. Er zeigt auf, dass die Löhne von Geringverdienenden seit Jahren stagnieren – und Reiche derweil immer reicher werden. 3200 Personen verdienen – Stand 2018 – mehr als eine Million Franken pro Jahr.

Berufstätige mit einem Tieflohn müssten inzwischen fast ein Jahr arbeiten, um so viel zu verdienen wie die 50'000 Topverdiener im Land in einem Monat, hält der SGB fest. (lha)

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