Darum gehts
- Radscheibenbruch verursachte Entgleisung im Gotthard-Basistunnel. Sust legt Abschlussbericht vor
- Thermische Überbelastungen führten zu Ermüdungsrissen in der Radscheibe
- Schätzungsweise über 100 Millionen Franken Schaden durch die Entgleisung
Es war ein kleiner Riss mit grossen Auswirkungen: Am 10. August 2023 kam es im Gotthard-Basistunnel zu einem Vorfall, der die SBB bis lange beschäftigte. Die Entgleisung eines Güterzuges verursachte einen Schaden von schätzungsweise über 150 Millionen Franken.
Am Montag legte schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust), ihren Abschlussbericht zum Unfall vor. Stephan Eder, Leiter Untersuchungsdienst Sust, sagte vor den Medien, der Ablauf habe schlüssig nachvollzogen werden können. Man habe aus der Untersuchung eineindeutige Resultate erhalten.
Der Güterzug war am frühen Nachmittag des 10. August 2023 auf der Fahrt von Chiasso TI nach Basel in der Weströhre des Gotthard-Basistunnels entgleist. Gemäss dem Bericht ist ein Radscheibenbruch für den Unfall verantwortlich.
Vier Empfehlungen, damit sich Unfall nicht wiederholt
Der entsprechende Güterzug von SBB Cargo war mit zwei Lokomotiven und 30 Güterwagen unterschiedlicher Bauart und Eigentümer auf dem Weg von Chiasso nach Basel.
Zehn Kilometer nach der Einfahrt in den Gotthard-Basistunnels brach ein Fragment der Radscheibe des elften Wagens weg, heisst es im Bericht. «Es folgten weitere Brüche der Radscheibe, sodass die Achse schliesslich die Spurführung verlor und entgleiste.» Der Zug fuhr rund sieben Kilometer weiter, wo die Weichenantriebe an den Spurwechselweichen zerstört wurden.
Grund für den Radbruch: Thermische Überbelastungen der Lauffläche, führten zu Ermüdungsrissen, heisst es im Bericht weiter. Deshalb handelte es sich beim Unfall gemäss Sust-Experten um ein «systematisches Problem».
Dem Bericht beilegend, hat die Sust auch vier Sicherheitsempfehlungen abgegeben, die künftige Unfälle verhindern sollen. Drei davon richten sich an die Eisenbahnagentur der Europäischen Union (ERA). «Güterwagen fahren in ganz Europa, es ergibt wenig Sinn, Regeln nur für die Schweiz zu definieren», begründete Eder dies.
- Erstens sollen die bestehenden Regelungen zur Erhöhung des aktuell geltenden minimalen Raddurchmessers auf alle Radsatztypen mit Verbundstoffbremssohlen ausgeweitet werden.
- Zweitens sollen die Kriterien der Instandhaltungsvorgaben für diese Radsätze angepasst werden, insbesondere bezüglich Wartungsintervalle und Prüfmethoden. Gemäss Sust-Experten werden sie zu wenig geprüft.
- Die Schweizer Unfall-Experten empfehlen zudem eine Studie, um den Einfluss von Verbundstoffbremssohlen auf die thermische Belastung der Räder besser zu untersuchen.
- Die vierte Sicherheitsempfehlung richtet sich an das Bundesamt für Verkehr und betrifft Weichen mit oberhalb der Schwellenoberkante liegenden Verschlussvorrichtungen. Die Sust empfiehlt, das Risiko einer mechanischen Beschädigung dieser Vorrichtungen zu bewerten und gegebenenfalls zu reduzieren.
SBB wollen mehr Kontrollen
Die SBB unterstützen die Empfehlungen, wie sie in einer Medienmitteilung schreiben. Aus Sicht der SBB müsse der Einsatz von Güterwagen mit sogenannten LL-Bremssohlen in der Schweiz und in Europa eingeschränkt oder gar verboten werden. «Die SBB wird im Güterverkehr schrittweise und so schnell wie möglich aus dem Transport von Wagen mit LL-Bremssohlen aussteigen, bis griffigere behördliche Massnahmen zur Modernisierung und Verbesserung des Unterhalts erlassen wurden», heisst es weiter. Die SBB selbst besitzt keine Wagen mit den nun kritisierten Bremsklötzen.
«Im Übrigen wird die SBB Güterwagen intensiver kontrollieren, um sichtbare Mängel zu erkennen», kündigt das Bahnunternehmen weiter an. Haarrisse in Rädern durch thermische Überbelastung seien visuell allerdings nicht auszumachen, sondern nur in Instandhaltungswerken. Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV fordert in einer Mitteilung, dass mehr Personal für bessere Kontrollen und mehr Sicherheit eingesetzt wird.